Harald Schirmer - es kommt nicht nur darauf an, was wir tun, sondern WIE wir es tun!

Informellen Austausch im Homeoffice verbessern

Homeoffice fühlt sich schnell an wie Arbeiten in einer Telefonzelle

Ein großer Teil der Entscheider und Mitarbeiter ist in Corona Zeiten im Homeoffice. Wie zu erwarten war, sind Video-Konferenzen jetzt plötzlich der Kommunikationskanal für so Vieles. Was in vielen Organisationen Jahrzehnte gedauert hat (oder hätte), geht jetzt scheinbar über Nacht. Das lässt natürlich jeden Organisationsentwickler aufhorchen: „Wer hätte nicht gerne eine derartige Wirkung in seine Veränderungsmaßnahmen“ – vor allem völlig unabhängig von Hierarchie, Funktion, Land oder Alter.

Zurück zum Titel des Beitrags und meine Tipps.

Was im physischen Zusammenleben und Arbeiten selbstverständlich ist: Der Austausch ohne Agenda, vorgegebenes Thema oder jemanden der einlädt

(der sogenannte informelle Austausch) ist eine extrem wichtige Basis für den Erfolg im Arbeitskontext. Dieser findet in der Kantine, am Gang, am Drucker, in der Kaffee Ecke oder auf dem Weg zum Meeting, Arbeitsplatz oder nach Hause statt.

Viele springen jetzt statt in physische Meetings, in VideoKonferenzen – dabei scheint es automatisch, sobald der Großteil anwesend ist (und die Technik läuft), direkt in die Themendiskussion einzusteigen – und sich scheinbar nahtlos von Termin zu Termin einzuwählen. Hinzu kommt, dass die eigene Bewegung dramatisch eingeschränkt ist, da die Wege zu Hause in der Regel sehr kurz sind. Auch kreative Impulse, Neues oder Dinge, die unsere Gedanken ablenken, welche auf Wegen in den Firmen passieren, sind in den eigenen vier Wänden kaum zu erwarten.

Durch die Isolierung und Distanz durch Homeoffice, braucht es dringend Zeiträume und virtuelle Räume, in denen dieser soziale Austausch gefördert wird. Hier wird (ganz nach dem Eisbergmodell der Kommunikation) die Beziehung aufgebaut, die emotionale Grundlage geschaffen, die uns in fachlichen Gesprächen, Workshops und Entscheidungen das notwendige Vertrauen untereinander aufbaut.

Hier ein paar Empfehlungen um etwas längerfristig „gesund“ und kreativ zu bleiben und nebenbei Beziehungen zu verbessern.

(Ich spreche aus inzwischen mehr als 10 Jahren Erfahrung mit Homeoffice, davon Arbeiten seit Mitte 2016 komplett von zu Hause aus – mit 600km Distanz zu meinem „Standort“)

Virtuelle Kaffee Ecken einrichten

Virtuelle Kaffe Ecke – BegegnungsVideoRaum

Eine Videokonferenz zu bestimmten Zeiten (oder den ganzen Tag) einrichten, in die sich Jeder (aus der Abteilung, Funktion oder wirklich „jeder“) einfach einwählen kann und – wie vor der Kaffee Maschine – ohne Themenvorgabe unterhalten kann. Ohne Moderator, Kontrolle, Protokoll.

ESN – Soziale Netzwerke sind essentiell für Informellen Austausch

Enterprise Social Network – perfect for social interaction, learning, culture, inspiration, scalable movements

Wie oft trifft man auf dem Firmengelände alte Kollegen, ehemalige Chefs, den Pförtner, Mitarbeiter aus anderen Bereichen – ohne das geplant zu haben? Selbst auf der Treppe oder dem Fahrstuhl entstehen oft kurze inspirierende Gespräche, Neuigkeiten werden ausgetauscht, Hinweise gegeben, Relevantes macht die Runde. Wer schon ein Enterprise Social Network in der Organisation hat, kann das jetzt nutzen um auch außerhalb des eigenen „Silos“ Kontakte zu pflegen, sich zu informieren (über das eigene Netzwerk und deren Kontakte), seine Informationen „Sharen“ an eine nicht vorher definierte Zielgruppe.
Auch ermöglicht ESN Beteiligung an jetzt sehr wichtigen Themen, Diskussionen und vor Allem Austausch über Erfahrungen, Best-Practices oder auch Gefahren, Risiken – und Empfehlungen.
hier noch eine Reihe weiterer Aspekte, warum ESN gerade für Führungskräfte essentiell ist.

„Ankommen“ in die Agenda einbauen

How are you?

Dauert eine Videokonferenz eine Stunde, sollte man 10 Minuten am Beginn reservieren, um sich etwas auszutauschen (ist gleichzeitig Techniktest – und man hört jeden einmal, um später die Stimme besser zuordnen zu können. Das kann durch eine Frage eingeleitet werden: z.B. „Welche Routine hilft Euch aktuell am besten?“ oder bei internationalen Calls gerne auch ein kurzer Status „Welche Aktion in Eurem Land findet Ihr aktuell am sinnvollsten?“ (man erfährt dadurch voneinander was den Teilnehmern wichtig ist, was sie bewegt)

Dinge ansprechen / respektvolle Transparenz

Im physischen Meeting ist vieles normal und braucht keine großen Erklärungen. Wer von zu Hause aus arbeitet, muss sich keinen Platz suchen, den Koffer abstellen, seinen Rechner anschließen etc. Dafür gibt es andere Störungen, Verpflichtungen, die jedem passieren können.
Als Moderator sollte man typische Dinge kurz ansprechen: Wer raus muss, wegen Kindern, Toilette, Postbote etc, einfach kurz in den parallelen Chat eine Info schreiben „Bin kurz weg/Bin wieder da“ (stört nicht und es kommt nicht zu peinlichen Situationen, weil plötzlich keine Antwort mehr kommt)

Bio-Break, gemeinsames Essen

Bedürfnisse respektieren

Bei längeren Terminen nicht vergessen, Toilettenpausen einzubauen – viele trauen sich bei laufender Kamera nicht aufstehen – spätestens nach 60 Minuten. Auch ein gemeinsames Mittagessen bei laufender Kamera ist sicher unterhaltsamer, als alleine in die Küche zu gehen. In der Kantine sehen wir uns auch beim Essen zu – also keine Scheu – gerade international ist das super spannend zu sehen, was in den jeweiligen Ländern gegessen wird. Das erzeugt persönliche Begegnung und baut Nähe/Vertrauen auf.

Gemeinsames Streching oder Meditieren

Streching, Yoga, gemeinsames Atmen geht auch per Video

Als kleine Maßnahmen zur Aktivierung aber auch um „runter zu kommen“ bzw. zu Fokussieren eignen sich kurze – angeleitete Sport-Einlagen (Schulterkreisen, Stecken… kleine Übungen am Arbeitsplatz) oder gemeinsames Meditieren (das kann 1 Minute gemeinsam mit geschlossenen Augen tief Atmen oder angeleitete Meditation sein) – einfach mal fragen – in der Regel gibt es immer jemanden, der so etwas anbieten kann. In der Video-Konferenz ist das eine sehr sinnvolle Intervention.

Lauf-Meetings

Gemeinsam – allein – spazieren gehen geht auch per Telefon/Videokonferenz

Teile von virtuellen Meetings können/sollte vielleicht sogar „mobil“ stattfinden. Gerade Diskussionen, Brainstorming oder Austausch zu neuen Themen ist wesentlich inspirierender, wenn nicht jeder statisch vor der Kamera sitzt. Wer ein Smartphone besitzt, kann einen Spaziergang machen und unterwegs teilnehmen – mit oder ohne Kamera (das wirkt Wunder!). Sollten Notizen notwendig sein, kann einer am Platz bleiben und „Protokoll“ führen. (Diese Praxis kann an natürlich auch nach Corona in physische Meetings einbauen 😉

Virtual Reality Räume (kostenlos) nutzen – und ohne Brille!

Virtual Reality mit Mozilla Hubs, AltaVR, TriCAT – je nach Bedarf – alles auch ohne VR Brille möglich

Besonders spannend ist hier auch „Virtual Reality“: Dort hat man echte 3D Räume, in denen nicht nur einer Reden und alle anderen Zuhören können, sondern viele treffen können und unabhängig/parallel Gespräche führen. Das hat auch den Vorteil, einen gemeinsamen (virtuellen) Raum zu teilen – dieses Gefühl stellt sich tatsächlich durch die Avatare sehr schnell ein. Dafür ist nicht zwangsläufig viel Geld, eine VR Brille oder große technische Kenntnisse notwendig – unter Mozilla Hubs oder AltspaceVR ist das schnell eingerichtet.

mehr zu Virtual Reality erfahren (demnächst auch eine Analyse der diversen „Welten“ und was die Unterschiede sind)

Resümee

Sicher gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, virtuelle Meetings aktiver, inspirierender, kurzweiliger, kreativer und Beziehungsfördernder aufbauen. Im Kern geht es mir hier aber vor Allem darum, den im virtuellen Kontext fehlenden „informellen Austausch“, den Zufall jemandem relevanten zu begegnen zu kompensieren. ESN und die genannten Praktiken sind dafür sicher sehr geeignet – und je länger eine Quarantäne dauert, um so wichtiger werden zwischenmenschliche Begegnungen – sonst droht „Lagerkoller“, „Depression“, „Einsamkeit“ aber auch geschäftlich schlechtere Ergebnisse, Informationsverlust, Innovationsverlust…

Chancen nutzen und Erfolge teilen

Diese Situation als Chance zu nutzen, fehlende digitale (und methodische) Reife zu verbessern und nicht nur den Kompromiss „virtuelle Konferenzen“ zu verbessern, sondern auch Möglichkeiten, die im physischen Rahmen nicht möglich sind (skalierung, orts- und zeit-unabhängigkeit) später wieder in den physischen Raum zu integrieren, sind groß… lasst Sie uns nutzen, erweitern und teilen!

Vielen dank an PixaBay und ihre Kreativen für die Fotos

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12 Antworten

  1. Avatar von Karl Heinrich

    Ich möchte gerne in meinem Team mehr Austausch und Kontakt im Homeoffice erreichen. Aktuell führen wir regelmäßige Videokonferenzen durch, ich möchte ihnen zudem noch mehr Möglichkeiten bieten. Die Idee mit dem virtuellen Kaffee finde ich wirklich klasse. Im Grunde ist es ein virtueller Meetingraum, welcher immer offen ist. Das werde ich mal im Team besprechen und schauen, wie die Kollegen die Idee finden.

    1. Avatar von haraldschirmer

      Danke für die Rückmeldung Karl, Plane Zeit ein – individuell und in der Gruppe. Was typischerweise auf dem Gang, dem Weg zur Kantine oder beim Vorbeigehen passiert, müssen wir im virtuellen Raum einplanen. Es gibt auch hilfreiche Apps und beteiligende Formate dafür z.B. #LiberatingStructures

  2. Avatar von Mika KaUro
    Mika KaUro

    Danke für den tollen Artikel, er spricht mir sehr aus der Seele, denn genau diese „zwischendurch Gespräche“ haben mir sehr schnell gefehlt.
    Meine Kollegen und ich versuchen zwar nach jedem Termin immer noch so ein bisschen zu plaudern und uns auszutauschen, dennoch ist es nicht das gleiche.
    Es ist zu hoffen, dass es bald eine Art Normalzustand wieder gibt, indem zumindest Gespräche F2F wieder möglich sind.

  3. Avatar von Conny
    Conny

    Die Einleitung lässt mich schmunzeln. Plötzlich sind unglaubliche Dinge möglich. Die Ideen und Anregungen sind großartig. Bei mir wachsen Ideen, meine Online-Seminare mit sportlichen Einheiten aufzupeppen. Das Gefühl, Sport wäre richtig war schon da. Der Mut fehlte. Jetzt werde ich mutig sein und die Teilnehmer überraschen. Danke für diesen Artikel.

  4. Avatar von Nicole Steller
    Nicole Steller

    Lieber Harald,
    nach 2 Wochen bin ich jetzt auch im HomeOffice und stelle gleich sofort meinem Team deine Ideen vor. Wir sehen uns gerade alle nach mehr „Socialising“.

    DANKE und wünsche viel Gesundheit!

  5. Avatar von Sebastian Kolberg
    Sebastian Kolberg

    Liebe Harald, vielen herzlichen DANK. Wieder Mal zum richtigen Zeitpunkt und super hilfreich #HomeOffice #VirtualCollaboration

  6. Avatar von Oliver Ratajczak

    Hallo Harald,
    Eine tolle Zusammenstellung. Danke dir 🙂
    Liebe Grüße
    Oliver

  7. […] Sorge für ausreichend Formate & Kanäle für Kommunikation außer der Reihe (Lunches, Kaffeerunde, virtueller Büroklatsch…). Sorge für genügend Pausen. Gib Raum fürs Menschsein. (Maike Kueper, Doppelspitze, Sebastian Kolberg, Anne Schreiber, Markus Schönell, Globe Trottel) Konkrete Tipps zur Ausgestaltung von informellem Austausch im Homeoffice findest Du bei Harald Schirmer. […]

  8. Avatar von
    Anonymous

    Hey Harald, danke für deinen Artikel. Der beste, den ich aktuell zum Thema gelesen habe. Virtual hugs, Andrea

  9. Avatar von Jörg Weisner

    Danke Harald für die inspirierenden und praktischen Tipps. Insbesondere bei den Laufmeetings musste ich schmunzeln und mir an die Stirn klopfen …
    1:1 Laufmeetings habe ich schon häufig gemacht, auf die Idee mit mehreren bin ich aber nicht gekommen – dafür braucht es dann so einen Impuls von außen …

    Vielleicht ergibt sich ja irgendwann mal die Gelegenheit, gemeinsam ein paar Kilometer zu laufen 😉

  10. Avatar von Sigi

    Das ist praktisch, lebensnah, positiv und unverkopft! Klasse!

    Vielen Dank!

    1. Avatar von Edson Osorio
      Edson Osorio

      We are currently in the situation where knowledge on digital tools is key to continue activities, but also key to keep personal bondings, more to the ones whom can execute 100% of the work without a real office.
      Thanks for sharing such a great summary.

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