Auf der Suche nach einem ausgefallenen Eck-Regal haben wir ein paar wenige nette Lösungen gefunden – so richtig gefallen hat uns aber nichts. Gerade Wandregale gibt es relativ viele – auch im Design-Bereich finden sich einige spannende Ideen – aber eben nicht über Eck.
Einige modulare Systeme werden auch angeboten – das geht aber schnell in einen guten vier-stelligen Bereich. Da ich gerne „Natur“ um mich habe, wollte ich auch möglichst „reine“ Materialien verwenden. Kurz – eigene Ideen finden und umsetzen.
Hier ein paar Schritte auf dem Weg zum Eck-Regal im Eigenbau: (April 2014)
Stückliste:
- 4 stk sägeraue Bretter, möglichst lange abgelagert ca. 2,6 m / 3 cm – 40 Euro
- 25 m Elektro Installations-Rohr Aluminium 25mm – 80 Euro
- 12 stk M10 Gewindestangen 2 m – 36 Euro
- 100 stk Tauchhülsenmuttern M10 Innensechskant – 50 Euro
- diverses Schleifpapier – 20 Euro
- Bienen Hart-Wachs – 20 Euro
- GESAMTPREIS Material: ca. 246 Euro
Um ein möglichst naturnahes Regal zu bekommen ging’s auf die Suche nach gut abgelagerten sägerauen Brettern, die möglichst noch mit Rinde (das habe ich leider nicht gefunden) als Grundmaterial dienen sollten. Die findet man selten im Baumarkt, da die wirklich interessanten Formen durch keine Qualitätskontrolle für „Standardisierung“ kommen würden. Im Sägewerk – ganz hinten in den Regalen wurde ich dann auch fündig. Jedes ca. 2,60 m lang für 10 Euro das Stück.
Sägerau bedeutet natürlich wirklich alles andere als Möbel-Oberfläche – womit die kommenden Stunden der Schleiferei zum Opfer vielen. Im Sägewerk würden die Bretter auch der länge nach noch beidseitig begradigt – aber genau die ursprüngliche Stammform soll dem Regal später das besondere Aussehen geben.
Das ist aber auch mit die schönste Arbeit, wenn man sieht, wie aus diesen doch recht gammligen Brettern die wunderbare Maserung zum Vorschein kommt. Ideal wäre noch, wenn eine hart Rinde an den Kanten vorhanden wäre – die kann man für noch rustikalere Optik auch dran lassen – in diesem Fall aber musste das Meiste weg.
Fast alle Regale haben senkrechte Seitenteile – die das Möbelstück wie einen Schrank ohne Türen wirken lassen. Ich wollte eine dynamischere Form mit verschiedenen Höhen, Längen und Tiefen – es sollte „luftiger“ aussehen und schließlich gab es noch die Aufgabe mit der Ecke zu lösen. Alle gefundenen Regale hatten hier „tote“ Winkel, die nicht nutzbar sind, schwer zugänglich oder einfach nur unschön waren. Als Lösung sollte ein selbsttragendes „Stangen-Rohr-System“ helfen.
Leider gnadenlos überdimensioniert konnte ich nur diese relativ dicken Elektro-Installations-Aluminiumrohre bekommen, die eigentlich für Montage dienen und optisch nicht sehr ansprechend sind. Alternativ könnte man dünnere Edelstahlrohre verwenden. In meinem Fall musste ich nach dem Zuschneiden noch alle Oberflächen mit Stahlwolle behandeln, um das Aussehen etwas interessanter zu gestalten. Über 60 Rohr-Stücke sind so entstanden.
Nachdem die Bretter mit Bienen-Hartwachs eingelassen wurden und wieder trocken waren, konnten die Vertiefungen für die Rohre und anschließend die Löcher für die Gewindestangen gebohrt werden. Da jedes Brett unterschiedlich dick war, selbst die Dicke eines einzelnen Brettes deutlich variiert, war es ein Geduldspiel, die richtigen Einstellungen für die Lochfräse zu finden.
Da ja kein Brett rechtwinklig war und dennoch das Regal an geraden Wänden stehen sollten war einiges an Anpassung notwendig – für den schnelleren Wechsel und Auf- und Abbau wurden Beilagscheiben und Hutmuttern verwendet.
Das Regal ist zwei-stufig aufgebaut – im unteren Bereich sind die breiteren Bretter verbaut, um für größere Bücher und Spiele Platz zu bieten – oben werden die schmalen Bretter verbaut. Das – zusammen mit der Eck-Konstruktion – gibt dem Regal eine sehr hohe Kipp-Sicherheit – ein Umfallen ist damit fast nicht mehr möglich.
Wie schon beschrieben sind auch die M10 V2A Gewindestangen viel zu massiv – vermutlich hätte M6 auch spielend gereicht. Nicht ganz einfach zu bekommen sind allerdings die 2 meter langen Stangen (was aber auch nicht notwendig ist – da man 1 meter überall bekommt und diese problemlos verbinden kann). Jetzt mussten alle Stangen, die für den Probe-Aufbau mit den Hutmuttern gemessen waren – nochmal um einige Zentimeter gekürzt werden, um für die finalen Tauchhülsenmuttern zu passen.
Wenn man alles selber macht, kann man auch keine fertigen Regalfüße verbauen 😉 Aus einem 1 meter langem Buchen Vierkantholz wurden also 10 Regalfüße mit Senkloch, gephasten Kanten und gerundeten Ecken.
Im Nachhinein hätte man die Senkhülsenmuttern auch noch im Holz versenken können – allerdings stören die ca. 2 mm hohen Köpfe auch nicht besonders. Hier gut zu sehen die sehr dominante Maserung, die durch das wachsen noch viel deutlicher zum Vorschein kommt. Durch die runden Längskanten wirken die Bretter unheimlich dünn
Im fertigen Zustand wird jetzt auch die aufwändige, tragende Konstruktion sichtbar. Durch die innenliegenden Gewindestangen ist das gesamte Regal unheimlich steif und stabil – insgesamt gehen nur drei der Stangen über die komplette Höhe. Über die Stabilität, auch der einzelnen Regalböden war ich selbst überrascht – man kann also sicher die Rohr-Durchmesser und die Gewindestangen-Dicke noch deutlich reduzieren.
Was dieses Regal auch besonders macht – aus jedem Blickwinkel sieht es völlig anders aus. Aus einiger Entfernung sieht man fast nur die senkrechten Alu-Rohre – die wirken, als würden sie durch die Bretter gehen. Kommt man näher, dominiert die intensive Holzmaserung und die natürlichen Kanten. Da die Böden alle unterschiedlich lang sind und überall wieder Freiräume entstehen, bieten sich viele Möglichkeiten, auch sehr hohe Dinge (z.B. Blumenvasen) zu platzieren. Auch die Ecke ist durch die luftigere Verbindung fast vollständig nutzbar.
Sicher ist auch dieses Regal Geschmacksache. Heute könnte ich es vermutlich in weniger als der Hälfte der Zeit fertigen – aber die Arbeit mit Holz und aus einer Idee mit ganz wenigen Materialien ein fertiges Produkt zu bauen hat seinen ganz besonderen Reiz.