Macht haben, Macht ausüben, Macht abgeben (vom 25. September 2010)
Macht-Wechsel durch Web 2.0:
Was haben Parteien, Firmen, Vereine, Gesellschaften, Behörden und die Kirche gemeinsam? Sie bilden eine Machtstruktur ab und leben Hierarchien = Machtebenen. Entwickelt in einer Zeit, in der Kommunikation auf kleine, lokale Gruppen beschränkt war, in der Dynamik und Komplexität überschaubar waren.
Was hat das mit dem Internet zu tun?
Neuen Medien sowie moderner Methoden, Formate und Werkzeuge erlauben eine völlig neue Art der Kommunikation und Zusammenarbeit – Orts- und Zeitunabhängig und skalierbar.
1. Gleichheit:
Schon sehr früh im Internetzeitalter musste die katholische Kirche, die einen sehr stark strukturiertes Machtgefüge besitzt, feststellen, dass plötzlich ein Dorfpfarrer „auf gleicher Ebene“ und potentiell mit gleichem Publikum Inhalte an die Welt geben konnte, wie der Vatikan. Sehr schnell wurde klar, das die bis dato gelebte Informationsstrategie dort nicht aufrecht erhalten werden konnte.
Heute kann „Jede/n von uns, PräsidentInnen oder den Weltkonzern „XYZ“ auf einer Ebene – in Sozialen Plattformen etc. kommunizieren. Keiner hat z.B. mehr „Zeichen“ in der Eingabe oder andere Funktionen. (Natürlich kann mit Geld Professionalität und Qualität der Inhalte oder deren Platzierung gekauft werden)
Die Aktzeptanz oder die Größe des Publikums wurde plötzlich „auch“ durch die Qualität (oder das Entertainment) des Inhalts erzeugt, nicht nur die Position, Titel oder Herkunft…
2. Fehlende Distanz:
In der Regel sind bei Konzernen oder Regierungen die „Oberen“ also der Vorstand, die VIP, auch in Hotels die Suiten – baulich „oben“ – also schwerer zugänglich, erhabener, herabblickender – auf Distanz gehalten.
Die meisten Sozial Media Plattformen kennen kein Oben oder Unten. Auch in Video-Konferenzen sind alle auf „Augehöhe“ – und spätestens seit die „Krawatten“ und andere Statussymbole wegfielen, ein schnelles Erkennen von Hierarchie schwer.
In den Sozialen Netzwerken oder digitalen Plattformen findet eine Wertung statt nach:
- Relevanz
- Zugehörigkeit
- Qualität
- Attraktivität / „Gefragtheit“ (Person oder Inhalte)
- Aktivität
also alles „Eigenschaften“, die eigentlich jeder Mensch alleine erreichen könnte. Damit wird die Distanz z.B. in einem Konzern, der Web 2.0 einsetzt, zwischen dem Firmenchef und seinen MitarbeiterInnen sehr überschaubar.
Die (scheinbar) direkte Ansprache (z.B. über @Mentions oder Status Meldungen) zu normalerweise schwer erreichbaren Personen – nur einen Klick entfernt.
3. Machtabgabe und Hierarchieverlust:
Was also macht „Sozial Media“ interessant und begehrlich? – man muss sich nicht unterordnen, kann gleichberechtigt diskutieren und argumentieren.
Es ist sicher für viele „herkömmliche“ Unternehmen schwer, sich in dieser neuen Internetwelt zu behaupten, weil sie dort alles bisher gelebte nicht oder nur schwer „abbilden“ können – plötzlich ist nur noch erfolgreich, wer dem „Kunden“ zuhört, ihn versucht zu verstehen – ihm das anbietet, was er auch möchte.“
In meinen Augen sollte das
„bewährte“ Hierarchiesystem
als „Backbone“,
also als stabiles, formgebendes und
klar gegliedertes Gerüst bestehen bleiben.
In einer modernen Welt mit den vielen Anforderungen besonders an Innovation, Geschwindigkeit und grenzüberschreitende (damit sind nicht nur regionale Grenzen, sondern auch Fachgebiete, Altersstrukturen, Sprachen… gemeint) Technologien bietet Social Media oder Business Networking gute Lösungen.
Voraussetzung ist aber, das der kultureller Wandel mit einer intensiven Bildungsinitiative
und ganzheitlichen Führungskräfte-Entwicklung
begleitet wird.
Besonderer Augenmerk sollte bei der Einführung von Business Networking auf die Folgen gelegt werden. So sind die „Tools“ in der Regel sehr einfach zu bedienen und nicht vergleichbar mit der Einführung von herkömmlichen Datenbanksystemen oder ähnlichen „Giganten“.
- Wie aber sollen sich die MitarbeiterInnen verhalten?
- Was ist erlaubt – was nicht?
- Wie wird den verschiedenen Kulturen in transnationalen Konzernen Rechnung getragen?
- Werden Ressourcen für die Beantwortung von Feedback und die Moderation von Foren und Webseiten freigestellt?
- Gibt es einen Firmen-Kodex oder Benimm-Regeln?
- Wie wird mit Verstößen umgegangen?
- Letztendlich auch wie wird die Kommunikation (nach draußen = Internet) begleitet?
4. Mitbestimmung:
Viele „alte“ Organisationsformen wagen sich nur zögerlich in die Welt des Web 2.0 und viele scheitern bei dem Versuch sich dort (herkömmlich) zu präsentieren (und merken es gar nicht).
Was dieses neue Medium will, ist Mitbestimmung, Meinungsäußerung und Feedback, auf das direkt und schnell reagiert wird.
Das bedeutet für ein Unternehmen (aber auch innerhalb von Organistationen) – wenn sie auf „Web 2.0 – Art“ mit den Menschen kommunizieren möchten – müssen sie eine „Frage stellen“ – dass wiederum bedeutet, dass sie darauf vielleicht eine Antwort bekommen.
Wird diese Frage aber nur der Frage wegen (oder des „dabei seins“ wegen) gestellt – wird künftig keiner mehr antworten.
Ist die Frage (mit allen Konsequenzen) aber ernst gemeint – hätte „das Volk“ die Macht eine Richtung zu bestimmen = ein eklatanter Machtverlust für die bisherig meist „alleinherrschende“ Führung…
5. Gleiche Regeln / gleiche Bedingungen:
NOCH scheint es, als gelten für alle „Nutzer“ von Web 2.0 die gleichen Regeln und Vorgaben. Gesprächszeit bei Twitter: 140 Zeichen – ganz gleich welche „Herkunft“, Sprache, Ausrichtung oder welchen Status man hat.
Facebook: die Seite von Berühmten oder wichtigen Personen bzw. Firmen hat den gleichen „Funktionsumfang“ wie die des Kegelclubs XYZ.
Natürlich kann mit bezahlter Werbung um Aufmerksamkeit geworben werden – aber scheinbar sind im „Sozial Web“ alle gleich.
„Macht“ würde aber ja bedeuten, dass Wenige – mehr dürfen oder können..
Die Herausforderung:
Kritisch gesehn muss man jedoch bedenken, dass die oben genannten Verhaltensweisen und Möglichkeiten den „oberflächlichen Surfern“ heute noch nicht überall gegeben sind – Oft scheitert es an einem verfügbaren Internetzugang, an der Bildung (viele nutzen das Internet nur zur Belustigung und dem Zeit totschlagen) und den ethischen Grundsätzen „Was macht man – oder was macht man (so) nicht“.
Auch fehlen verläßliche Hilfen für den Schutz und Umgang von/mit Daten und Informationen.
Aufgabe sollte es hier sein:
- den Zugang zu diesen Informationen und Möglichkeiten Gesellschaftsschichten – unabhängig, zur Verfügung zu stellen
- schon sehr früh „gemeinsam“ mit der Generation „Internet“ dieses Medium ergebnisoffen zu diskutieren und kritisch zu beleuchten
- die Bevölkerung durch gezielte Bildung in die Lage zu versetzen, selbständig und bewußt, sich im Netz zu bewegen