Harald Schirmer - es kommt nicht nur darauf an, was wir tun, sondern WIE wir es tun!

Transformation und die neue Sicherheit

Lange suche ich schon nach einem attraktiven und vielleicht auch leicht verständlichen Bild, das gut vermittelbar ist und indem eine wirklich wünschenswerte, lebenswerte, respektvolle, Ressourcen-schonende Zukunft greifbar wird. Wie wäre es damit:

THESE: Die Stabilität und Sicherheit während und nach der aktuellen Transformation ist weniger in äußeren, sichtbaren, messbaren Attributen (wie Einkommen, Abschlüsse, Statussymbole..), sondern besser auf dem Weg zu sich selbst (dem Inneren) zu finden.

Ein Wandeln in ein „noch mehr“ ist auf unserem begrenzten Planeten nicht möglich, Statussymbole verlieren ihren Wert und eine echte „Stabilität“ in äußeren Merkmalen ist durch die hohe Vernetzung und stetig steigende Zahl der Beteiligten (Menschen, Produkte, Sensoren…) immer weniger erkennbar.

Als Ergebnis erleben wir heute schon große Unsicherheit, Überforderung und Planbarkeit. Die Hoffnung dass wir zum „New Normal“ als einen stabilen Zustand kommen, ist verständlich aber in meinen Augen nicht erkennbar.

managed change

Kurzer Exkurs in Veränderungsmanagement: Wenn wir die bekannten Change-Modelle ansehen, sind sich alle einig. Vor und nach dem Change gibt es (idealerweise) STABILITÄT… Verlässlichkeit, Sicherheit, Klarheit, Berechenbarkeit, Professionalität, Erfahrung und eine halbwegs stabile Kultur die sich einstellt. Grundsätzlich stimme ich dem Bild zu, nur ist in der aktuellen (VUCA) Transformation die „Stabilität“ im Zielzustand nicht mehr vergleichbar mit dem Anfangszustand.

Klimawandel, Corona, Digitale Transformation, Automation, Robotics, GenTech, NewWork, Netzwerke, Biohacking, Krypto, BigData… die Liste ist endlos, und bei den meisten Themen sind wir noch weit am Anfang – es kommt also noch sehr viel mehr, schneller und vermutlich auch mit heftigeren Wirkungen auf uns zu.

Worin kann also eine neue
Stabilität oder Sicherheit liegen?

In uns selbst

Wir können doch schon eine immer stärkere Bewegungen hin zu Achtsamkeit, Minimalismus, Respekt, Resilienz beobachten. Wer sich auf den Weg macht, sich selbst kennen zu lernen, äußeren Stress durch innere Ruhe zu begegnen, Überangebote und Informationsflut durch innere Klarheit und Fokus zu beantworten (was brauche(n) ich(wir) wirklich) und ein starkes Selbstvertrauen aufbaut (ich kann mit Veränderung umgehen, ich kann lernen), braucht die Stabilität im Außen nicht mehr so stark.

Viele Entwicklungen deuten genau in die Richtung: Der Kulturwandel vom „Haben“ zum „Nutzen“ – also Shareconomy wird immer stärker – ob es heute Elektroscooter, Mietwagen, AirBNB sind oder morgen autonome Fahrzeuge. Eigentum wird nicht nur durch die steigenden Kosten, Verantwortung (Klima) und zuletzt immer teuere Entsorgung unattraktiv.

Auch wenn das noch ein wenig dauern wird, und die Wirtschaft nach wie vor auf immer kürzere Lebenszyklen, Mode, Trends.. setzt, wird schon aus Ressourcen-gründen am Ende eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft mit Mehrfachnutzung die bessere Alternative sein.

Aber auch neue Formen der Netzwerke wie wir bei WOL (working out loud) erleben, geht es im Kern darum sich kennen zu lernen, Selbstvertrauen zu gewinnen und gemeinsam mehr zu erreichen.

Menschen, die Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit erleben, sind doch weniger abhängig von äußeren Bedingungen und können sich leichter anpassen. Social Learning zum Beispiel wird schwer messbar sein, auch Abschlüsse wird es da wohl kaum geben, aber trägt heute schon dazu bei ganz anders mit Krisen umzugehen:

Wer von und miteinander,
auf Neugier basierend, intrinsisch motiviert
und von seinem Netzwerk inspiriert lernt,
muss disruptiven Wandel nicht mehr fürchten

Die Zufriedenheit in sich zu stillen, dürfte nach einer Weile Übung, dem Großteil der Menschen leichter fallen, als das Glück über Konsum, äußerer Anerkennung oder sozialem Status zu finden. (Für dass die Meisten dann wohl rund um die Uhr arbeiten müssten)

Tun, was wir wirklich, wirklich wollen
nach Bergmann, setzt voraus,
dass wir uns auf den Weg machen herauszufinden,
was das überhaupt ist.

Also ist doch auch die New Work Bewegung mehr eine Reise ins Ich als zum Kickertisch.

Wenn durch die aktuellen Krisen immer mehr Menschen ihre Arbeit verlieren – wollen wir sie dann „beschäftigen“ und dass durch ein bedingungsloses Grundeinkommen entschädigen, oder wäre es nicht gerade jetzt wichtig gemeinsam nach Sinn zu suchen…

„Wer bin ich?
Was kann ich der Gesellschaft geben?
Wie können wir diesen Planeten erhalten?
Was macht mich zufrieden“

Arbeit gibt es sicher genug – unser Problem ist doch, und dass zeigt uns Corona sehr deutlich, dass die systemrelevanten Jobs extrem schlecht bezahlt werden… das was wir wirklich wirklich brauchen ist uns also derzeit zu wenig wert. Ich bin überzeugt, dass sehr viele Menschen sich sehr gerne um andere kümmern, Gärtner, Bauer, Künstler… wären – aber nicht zu den aktuellen Konditionen.

Mit der Reise ins Ich ist sicher kein Ego-Tripp gemeint – vielmehr können wir uns z.B. über das Bild von Spiral Dynamics als Teile von etwas viel Größerem, mit Verantwortung aber auch Geborgenheit erleben.

Herausforderung Vorstellungskraft und Messbarkeit: Um nochmal an das bekannte Change-Bild zu erinnern, lieben wir es ja alles zu messen. Key Performance Indicators (KPIs) zeigen im Geschäftsumfeld, wie erfolgreich etwas ist. Genau hier entsteht das Problem, wenn ich mit Messmethoden aus einer Welt (der messbaren, äußeren vor der Transformation) jetzt versuche die „Stabilität“ danach (mit Fokus auf Innere Werte) anzuwenden, werde ich „nicht viel finden“. Produktionszahlen, Verkaufszahlen, Reichweite, selbst Kompetenzen kann ich in Assessments messen, weil sie von Außen zugänglich sind. Innere Ruhe, Gelassenheit, Selbstvertrauen oder Resilienz zu messen? Ich konnte keine „Werkzeuge“ dafür finden. Das macht es natürlich schwer, aus heutiger Sicht diese künftige Stabilität zu beurteilen, gleichwohl können wir sie immer öfter erleben.

Dieser Gedanke ist natürlich noch sehr „unrein“ und eine Einladung, darauf rumzudenken. In jedem Fall hoffe ich damit einigen Hoffnung und Zuversicht geben zu können, dass es wieder Stabilität, Langsamkeit, Berechenbarkeit etc geben kann – nur eben anders… besser!?

Vielleicht kann dieses
Bild einer neuen Stabilität in uns selbst
auch helfen, dem Stress und der Überforderung,
die wir überall erleben,
vertrauensvoll zu begegnen.

Innere Stärke und Ruhe ist nicht durch Ressourcen-Knappheit betroffen, Orts und Zeit-unabhängig, ohne Preisschild und eigentlich auch Bildungsniveau-Unabhängig. Natürlich ist auch das eine Investition – in uns selbst, in Zeit und in (Selbst-)Disziplin.

The big question, if this is the path… what will happen to the whole industry, focused on producing “stuff”
Re-focus on highest possible #quality, #repairability, extended #lifespan and what already happens #products becoming #services

Was haltet Ihr davon?

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9 Antworten

  1. Avatar von Tobias
    Tobias

    Herzlichen Dank für diese wunderbare Darstellung der Zusammenhänge bzgl. Transformation. Ich wünsche mir sehr, dass wir gesellschaftlich so zusammen wachsen und erkennen, dass die Transformation im „Inneren“ stattfinden sollte und es sich nicht nur um technologische digitale Veränderungen im „Außen“ handelt.

    1. Avatar von haraldschirmer

      Dauerhafte Überforderung macht krank… ich bin überzeugt, dass durch die dadurch steigende Priorität dafür sorgen wird, dass wir uns breitflächiger Gedanken machen. Die vielen Initiativen, die es zunehmend gibt, bestätigen mir, dass wir in dieser Richtung unterwegs sind. Es ist ein gesellschaftlicher Wandel, der unterstützenswert ist – neu erfinden müssen wir ihn aber nicht.

  2. Avatar von Frauke
    Frauke

    Vielen Dank für diesen wertvollen Beitrag, lieber Harald! Es wird so plakativ deutlich, wie die Kräfte und Phänomene zusammenhängen und wirken. Allein, ist mein Gefühl, dass bis dato nur eine Minderheit diese Themen rund um Transformation im persönlichen, ökonomischen und ökologischen Kontext reflektiert und Konsequenzen zieht. ich bleibe zuversichtlich, dass dieser Anteil an Menschen weiter wächst. LG, Frauke

    1. Avatar von haraldschirmer

      Nutze soziale Medien um Dich mit diesen Leuten zu vernetzen – es sind schon viel mehr als Du vielleicht annimmst. Gemeinsam kann man mehr bewirken. Im ersten Moment ist eine solche positiv-Filterblase der Gleichgesinnten sehr wichtig (Entlastungclique) Später ist es dann wichtig diese wieder zu öffnen um bestmöglich andocken und wirken zu können.

  3. Avatar von Viola
    Viola

    Vielen Dank für den Beitrag. Dieser bringt viele aktuelle Gedanken zusammen.
    Schwierig finde ich, diese Sicht aus Unternehmensperspektive zu betrachten. Hier gilt in den meisten Fällen immer noch: Umsatzwachstum und Gewinnmaximierung sind treibende Ziele.
    Ein Besinnen auf das was man hat und wirklich gut kann, reicht wohl nicht.
    Schade, dass hier oft noch nicht mal der Gedanke erlaubt ist.

    1. Avatar von haraldschirmer

      Gedanken kann noch keiner verbieten und steter Tropfen … Mutig sein und gut Fragen stellen hat mir immer geholfen, langsam aber sicher eine Priorität zu erzeugen. Inzwischen sind wir nicht mehr allein – Vernetzen hilft: #WIRgewinnt Zudem wird immer mehr Menschen klar, dass neben kurzfristiger Gewinnmaximierung auch LangfristZiele an Relevanz gewinnen.

  4. Avatar von haraldschirmer

    Herzlichen Dank Gabriele, freut mich, wenn der Beitrag räsoniert. Ich glaube auch dass der Spruch „nach.. ist vor…“ schon noch passt, nur das die Zyklen kürzer, die Häufigkeit zunimmt und das Ganze nicht mehr seriell läuft … da brauchts die Stille schon wo anders.

  5. Avatar von Gabriele

    Vielen Dank für diesen tollen Beitrag. Dieses Bild, dass die Stabilität nach dem Prozess eine andere ist, wird mich beschäftigen. Herzlichen Dank dafür, den das ist eigentlich genau der Punkt. Ich bin im Digitalbereich tätig und mein Lieblingsspruch ist „Nach dem Relaunch ist vor dem Relaunch“ und so ist es auch bei der Transformation: Nach der Transformation ist vor der Transformation. Sie ist stetig und wird uns (zum Glück) immer begleiten. Danke nochmal. Wie immer toll auf den Punkt gebracht.

    1. Avatar von haraldschirmer

      Danke Gabriele, wir sollten jedoch vorsichtig sein, da diese (richtige) Aussage vielen Angst macht, bzw. Kein echter Türöffner für die Investition in sich ist. Deshalb versuche ich – z.B. mit diesem Bild oben, ein erstrebenswertes Zukunftsbild zu malen, das einen gesunden Umgang mit dieser Endlosdynamik bietet

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