Harald Schirmer - es kommt nicht nur darauf an, was wir tun, sondern WIE wir es tun!

Das mit dem Mindset – Wollen statt Müssen

In der Reihe zum Begriff und Bedeutung sowie abgeleiteten konkreten Aktionen um Mindset möchte ich heute über das „Müssen“ und das „Wollen“ schreiben, was für mich viel mit dem eigenen Weltbild (wie ich Menschen sehe) zu tun hat:

Statt: Was muss verhindert /sicher gestellt werden –
Wie WOLLEN wir gerne zusammenarbeiten?

oder: von Vorschriften zu Vertrauen

Es ist bereits 10 Jahre her, da war ich in einem Meeting eingeladen, indem über 2 Stunden lang über Probleme diskutiert, gegenseitig Vorwürfe, was alles nicht oder noch nicht erledigt wurde, wer Schuld hatte und warum dieses oder jenes (mit dieser Zielgruppe) niemals klappen würde. Irgendwann habe ich die etwas platte Frage gestellt:

Gefällt Euch eigentlich Euer Job?

Die User sind angeblich „zu dumm“, das Management „entscheidet nicht“, die KollegInnen „kooperieren nicht“, Funktionen (Data Protection, Cyber Security, Labor Relations, Legal) „verhindern alles“ … das kann doch weder Freude machen, noch ein Erfolgsgefühl (Selbstwirksamkeit) noch Lust auf mehr erzeugen… und keiner war so alt, dass es aushaltbar Richtung Rente ging.

betretenes Schweigen…

„Was können wir schon dagegen tun?“ und „Das hilft uns jetzt nicht weiter“ sind manchmal Antworten, die ich dann bekomme.

work harder - müssen

Ich versuche dann ein „Bild“ zu malen: Stellt Euch doch mal vor, wie es wäre, wenn wir zusammenhelfen, wenn Funktionen einen hoch-willkommenen Service mit Ihrer Expertise bieten, wenn das Management interessiert dabei ist und aktiv mitarbeitet, wenn wir statt über die Zielgruppen mit ihnen gemeinsam an Lösungen arbeiten und wir dafür echte Wertschätzung für unsere Arbeit bekommen.

Das ist eine UTOPIE!

NEIN – es ist das Ergebnis einer anderen Haltung,
einem anderen Umgang miteinander und anderen Aktionen

WOLLEN hat mit FREUDE zu tun
WOLLEN hat mit FREUDE und LUST zu tun

Fragen, die wir uns gestellt haben:

  • Wie kann ich mein Management neugierig machen, mehr über das Projekt zu erfahren?
  • Was können wir tun, damit Führungskräfte Ihren Namen gerne (unbedingt) mit dem Projekt verbinden wollen?
  • Was brauchen Funktionsstellen, um relevantes Eigeninteresse zu haben, das in unserem Projekt etwas vorwärts geht?
  • Wie kann ich meine Zielgruppe wertschätzend und beteiligend, transparent einbinden, dass Lust zur Unterstützung entsteht?
  • Wie kann ich eine Atmosphäre schaffen, in der KollegInnen gerne (intrinsisch motiviert) mitarbeiten?
  • Was unterscheidet ein privates Hobby von einem Projekt in der Organisation?
  • Was macht unser Projekt so attraktiv, dass andere dafür Botschafter werden wollen?
  • Wie sollte der Weg oder ein Ergebnis aussehen (sich anfühlen), dass wir auch in 5 Jahren noch gerne darauf zurückschauen?
  • Wie machen wir aus einer Pflichtaufgabe ein „Woodstock“ Erlebnis?

All diese Fragen halfen uns, aus einer ganz anderen Richtung auf Projekte und Arbeitsaufträge zu sehen. Im Kern geht es dabei vor allem um zwei der drei Ebenen von Simon Sinek’s „Golden Circle“:

Golden Circle by Sinek
Golden Circle by Simon Sinek

Dem WHY – also wozu machen wir das alles? (manche nennen es Purpose) das wird sehr oft lapidar mit „weil wir müssen“, „weil es uns angeschafft wurde“, „weil es irgendwer beschlossen hat“ beantwortet. Es könnte aber auch lauten: „Wir wollen uns vertrauensvoller auf Augenhöhe und interaktiver begegnen (zusammenarbeiten), deshalb führen wir Videokonferenztools ein und fördern eine Lernkultur, die diesen Prozess begleitet. Das Ziel dabei ist auch eine höhere individuelle Flexibilität wann, wo und wie wir in Zukunft arbeiten“ … zu lang? Vielleicht, nur hat diese „Why“ Story sehr viele Menschen erreicht, die dann freiwillig mit uns gemeinsam daran gearbeitet haben.

Die zweite essentielle Ebene ist das „HOW“ also wie wir diese Reise (das Projekt) gestalten. Modern auch „Employee Experience“ genannt, also welche Erlebnisse gestalten wir für die, die sich beteiligen, wie kommunizieren wir als ganzheitliche Betrachtung – nicht nur mit welchem Werkzeug, sondern auch mit welchem „Ton“ und welchen Begriffen. Sprache generiert Wirklichkeit – beginne ich ein Projekt also wirklich mit einem Kick-Off (klingt doch nach Ars..tritt) oder lieber mit einem „Welcome-Event“. Delegiere ich die Kommunikation an eine Fachkompetenz, oder kommuniziere ich (z.B. als Projektleitung) selbst, um authentisch, direkt und unter Nutzung der hierarchischen Möglichkeiten Wirkung zu erhöhen? Welches Verhältnis hat die persönliche Ebene (kennenlernen, informeller Austausch, persönliches Interesse, Anteilnahme) zur fachlichen Aufgaben-Erledigung? Wann und wie feiere ich Erfolge (oder Misserfolge/gescheiterte Experimente)?

In unserer globalen Migration haben wir
VOR BEGINN der Migration 2 Tage lang
gemeinsam gelernt und gefeiert

das gab uns Kraft, Vertrauen und den Willen
diese Mammutaufgabe zu stemmen.

Oft wird erst am Ende eines Projekts gefeiert, einige sind bereits weg, andere „müde“ und dieses persönliche Erlebnis hat auch keine Wirkung mehr auf das aktuelle Projekt – natürlich für künftige. Was braucht physische Präsenz, was Synchronität und was kann auch asynchron erarbeitet werden – und wie stelle ich sicher, dass dabei auch Sichtbarkeit, Alignment und Wertschätzung entsteht? Das „wie wir miteinander umgehen“ ist ein essentieller Schlüssel zur „New Work Erfahrung“

Freiwillige Projektteams:

Projektleitung im letzten globalen Projekt (Future Work – Flexibility 2.0) zusammen mit Christoph: Ich habe in unserem internen ESN (Enterprise Social Network – ConNext) nur einen Artikel geschrieben:

Wer möchte uns bei „Future Work“ helfen,
unsere Organisation flexibler zu machen?

Kurze Beschreibung des Themas und der übergeordneten Ziele, ein erster Entwurf des „Why“, mehr nicht. Eine Woche später hatten wir 40 KollegInnen aus der ganzen Welt, die bereit waren, zusätzlich zu Ihrem Tagesgeschäft dieses Projekt mitzugestalten (über ein Jahr lang!). Darunter Manager, Verkäuferinnen, ControllerInnen, Qualitätsexperten, Personaler, IT… Das Beste dabei – jede/r kam mit einer persönlichen Geschichte, warum er/sie unbedingt für das Gelingen einstehen möchte.
Eine typische erste Reaktion war übrigens:

Aber die können das doch gar nicht, weil
Kompetenzen, Abschlüsse, Fachwissen fehlt!

Meine Haltung dazu: Kompetenz und Fachwissen holt sich jede/r von selbst, wenn er/sie ein Problem wirklich lösen möchte. Hingegen ist es beliebig schwer, Experten – die aus welchen Gründen auch immer nicht wollen oder können – in intrinsische Motivation zu bekommen. Damit möchte ich natürlich keinem Experten fehlende Motivation unterstellen – nur in der Praxis hat jede/r genug zu tun und zusätzliche Projektmitarbeit ist ein großer Aufwand.
Zudem hat sich in allen Netzwerken und Communities immer wieder bestätigt:

Wer freiwillig kommt, bleibt (länger)
Wer geschickt wird, geht oft schnellstmöglich wieder

Die KollegInnen haben das Projekt hervorragend und mit relevanten Ergebnissen über die Erwartungen hinaus erfolgreich abgeschlossen. Notwendige Kompetenzen wurden durch Zusammenarbeit mit Profis und durch Social Learning akquiriert, Wissen war entweder vorhanden, wurde neu generiert und durch Sharing und Netzwerke vervielfacht. Der Treiber – besonders in schwierigen Situationen – war die persönliche Relevanz, der Wille Wirkung zu erzielen und das „Vergnügen“ in diesem großartigen, wertschätzenden Team zu arbeiten. Bestätigung dafür nicht zuletzt dadurch, dass sogar nach Projekt-Ende viele ihre weitere Mitarbeit in der AdoptionsPhase anboten.

Freiwilligkeit und Reporting

Vertrauen - Mistrauen - Zutrauen
Vertrauen – Mistrauen – Zutrauen

Inzwischen wurden bei Continental über 2000 MitarbeiterInnen zu GUIDEs und Knowledge Brokern ausgebildet (in den letzten 10 Jahren… Jubiläum!!) – der überwiegende Teil hat sich freiwillig dazu gemeldet (was wir ja bewußt strategisch so eingeplant haben). Der Nachteil an freiwilligem Commitment und der Werte-basierten Zusammenarbeit (Vertrauen vs Kontrolle) ist die dadurch fehlende Möglichkeit, klassisch zu reporten. Die Erklärung ist hoffentlich sehr einleuchtend:

Wie groß wäre Deine Lust, Deinen Beitrag in einem Verein, zu einem Hobby oder einer Familienfeier in Form von standardisierten Zahlen und Berichten nachzuweisen / zu rechtfertigen?

Reporting zerstört
intrinsische Motivation und Vertrauen

oder versuche mal die Liebe zu Deinen Kindern/Eltern/Partner durch Zahlen zu beweisen

Das ist eine harte These, leider schmerzhaft immer wieder so erlebt. „Müssen“ ist eine faktische Verpflichtung, deren Ergebnis messbar sein „muss“, „Wollen“ ist ein freiwilliges, emotionales Bekenntnis, das Zu- und Vertrauen als Basis erfordert. Entsteht das Gefühl, dass dieses Vertrauen im Zweifel steht (auch ungewollt), wird diese Verbindung schnell gelöst (da es ja keinen bindenden Vertrag gibt)

Ein wichtiger Grund für diese harte These ist die Diversität. Gerade in Netzwerken und freiwilligen-Arbeit sind der individuelle Ansatz, die persönlichen Präferenzen und Kompetenzen extrem wichtig. Der Vorteil eines diversen Netzwerks ist ja gerade, dass jede/jeder anders (zielgruppenrelevant, kulturaffin, wirkungsfokussiert) agiert. Würde ich jetzt introvertierte, extrovertierte, StrategInnen oder Operative, TheoretikerInnen oder PraktikerInnen mit den gleich Messgrößen abfragen -muss Demotivation die Folge sein.

Kurz, Diversität darf nicht nach Standards gemessen werden.

Der erlebbare Erfolg ist die relevante „Messgröße“

Wenn Manager ungefragt positives Feedback geben, wenn Kunden und Lieferanten sich selbst mit dem Projekt in Verbindung bringen wollen, wenn Kollegen höchste Zufriedenheit bekunden, wenn es keine Eskalationen gibt, bei gleichzeitiger Maximierung der Nutzung der Produkte und Services… wie kann Erfolg besser SPÜRBAR werden?

Diese „lange“ Geschichte deshalb, weil es hier um die „Erlebnisse“ geht, die im Projekt, aber auch bei allen Beteiligten entstehen. Wenn in einem Meeting niemand lacht, wenn es keine leuchtenden Augen gibt, wenn Kollegen „still“ sind/werden, wenn keine spürbare Lust, lebendige Diskussion, stolzes Zeigen von Erreichtem sichtbar wird, stirbt das „wollen“ und wir zum „müssen“.

Das Manifest – eine Vertrauensvereinbarung

Ein weiteres Beispiel zum „wollen vs müssen“ ist unser Manifest zur Einführung der neuen Collaborationsplattform. Klassisch „muss“ sich Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung um Betriebsvereinbarungen kümmern um Risiken zu minimieren etc. Ändert sich eine Software im Monatsrhythmus, entsteht hier großer, regelmäßiger Handlungsbedarf mit viel Potential für Kräftemessen, politische Spiele, individuelle Präferenzen… Auch hier haben wir im Projekt die Zusammenarbeit der Parteien als gemeinsame, regelmäßige (alle 3-4 Wochen je ein Tag) Lernreise gestaltet, in der irgendwann die Frage kam:

Wie wollen wir künftig arbeiten?
(als Gremium und als Organisation)

Option 1:
alles abschalten, was kritisch sein könnte
und stetig alles überwachen

Option 2:
den KollegInnen etwas zutrauen und
Vertrauen (+Unterstützung) aufbauen

Option 2 ist deutlich weniger aufwändig, nachhaltiger und in meinen Augen ein wunderbares Zeichen gelebter Unternehmenswerte. Natürlich ist ein konkretes Verbot viel einfacher umzusetzen als die empfehlenden Sätze eines Manifests – wer jedoch mit dieser Freiheit (und Verantwortung) lernt umzugehen, will kaum mehr zurück in das Regel-Gefängnis.

Vertrauensvereinbarung
Vertrauensvereinbarung

In meinem Artikel zu unserem Manifest stelle ich dar, wie mit ganz wenigen Zeilen einer positiven Zukunftsvision ein Mindsetwechsel eingeleitet wurde. Nicht mehr Verbote sondern ZUTRAUEN waren die Basis. Bis heute gibt es zu diesem Projekt keine einzige Eskalation! Unsere (natürlich) großartigen Kollegen (weltweit) werden diesem Zutrauen mehr als gerecht. Auch wenn es anfangs zu Fragen führt: „Darf ich dass?“ oder „Was bedeutet das jetzt konkret?“ sind die Ergebnisse überzeugend. Wichtig dabei ist, dass es eine Möglichkeit gibt, miteinander zu sprechen, sich auszutauschen, von und miteinander zu lernen – in kleinen Firmen persönlich/physisch oder in großen Organisationen via Enterprise Social Network.

Eine offene Lernhaltung erzeugen

„mehr wollen dürfen – weniger müssen müssen“

so lautete einmal ein Artikel für das Projektmanagement Magazin – hier nochmal konkret wie wir das bei den GUIDEs umgesetzt haben.

GUIDE training Indien
GUIDE training Indien 2013

Die Lernreise für unser globales GUIDE Netzwerk haben wir auf einem „positiven Mindset“ aufgebaut. Dabei sind folgende Aspekte geändert worden:

  • es gibt keine Leistungsmessung, Noten oder Prüfungen – wir glauben, das jede/r sein/ihr Bestes gibt
  • wir erwarten nichts, was wir nicht selbst (teils mehrfach) vorgelebt haben (und uns dessen Sinnhaftigkeit gewiss sind)
  • die Lernaufgaben beinhalten ein Höchstmaß an Freiheit um persönliche Kreativität, kulturelle Unterschiede und experimentieren zu fördern
  • Wir feiern Versuche, erste Schritte, Erfolge und auch den Mut Misserfolge zu teilen gleichermaßen
  • Dank geht an ALLE, egal ob sie erfolgreich waren, unterwegs abbrechen mussten oder schon zu Beginn gescheitert sind (warum auch immer) – nichts ist schlimmer als Demotivation, Resignation, Selbstzweifel oder Unzufriedenheit
  • Wir fördern Neugier, so gut wir können, durch Gamification, Cliff-Hanger und eine fragende Haltung.
  • Kleine Schritte, kleine Formate, schnelle Erfolge und ganz viel Wertschätzung sorgen für häufige Selbstwirksamkeitserfahrung – eine elementare Basis um mutiger zu werden
  • Zutrauen und Vertrauen in allen Aufgaben und Aktionen etablieren zunehmendes Selbstvertrauen und „Accountability“ oder „Ownership“
  • SharingIsCaring– Prozesstransparenz via Enterprise Social Collaboration sorgt für Energie, Inspiration und wertschätzendes von-und miteinander lernen

Die Leadership Aufgabe

Im Management habe ich oft den Satz gehört: Wenn Kontrolle und Druck wegfällt, macht jede/r was er/sie will.

Heute würde ich das als Aufgabe sehen:

Wir lassen Kontrolle und Druck weg,
DAMIT jede/r machen kann, was er/sie will!

Meine Aufgabe als Leader ist damit dafür zu sorgen, dass das Team/Netzwerk oder die Community etwas will, was dem Unternehmen hilft, was Wertschöpfung generiert. Gemeinsam am „Wozu tun wir, was wir tun (und was haben wir davon)“ und „Wie wollen wir gemeinsam erfolgreich sein“ sind dabei die Leitfragen.

Wenn die KollegInnen, Führungskräfte sich mit ihren Talenten und Ihrer Passion freiwillig einbringen, sich gegenseitig unterstützen und gemeinsam lernen und feiern – klingt das für viele nicht mehr wie Arbeit … doch vielleicht sollten wir auch diese „Haltung“ überdenken:

„Arbeit muss anstrengend sein?“
… sie könnte auch Spass, Freude, Erfüllung, Sinn, Freunde… bringen.

Wie wollt Ihr arbeiten – was tut Ihr dafür?

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