Initiiert durch ein spannendes Whitepaper von Metaplan und brand eins über diesen LinkedIn Post möchte ich ein paar ergänzende, persönliche Gedanken teilen – vielen Dank für den Anstoß Lukas. Mit diesem Post möchte ich dieses auch empfehlen und zur Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Thema anregen.
In dem geschilderten Fall geht es um Kulturveränderung durch Datentransparenz in einem Unternehmen.
Wer Daten erhebt, möchte damit etwas erreichen. Einblick, Vergleich, Verbesserung, Fehlersuche, Wettbewerb, Klarheit, Veränderung… In einer scheinbar postfaktischen Welt könnte man meinen, dass Daten/Fakten inzwischen Ihren „Schrecken“ verloren haben – dennoch halte ich es auch für wichtig, einige Gefahren aufzuzeigen. Damit ist natürlich keinesfalls ausgesagt, dass ich Fakten für falsch halte 😉
Ich halte Transparenz und auch die von Daten für extrem wichtig – dann aber für alle und mit der Möglichkeit diese gemeinsam zu diskutieren, zu erklären und in den relevanten Kontext zu setzen.
Vorschlag zu dem Beispiel: der Kultur die wohl in diesem Unternehmen gelebt wird dienlicher, wäre eine PROZESS #Transparenz … idealerweise über ein #ESN. Damit wäre der Fokus auf das von- miteinander #Lernen und nicht auf einen internen Wettkampf gelegt.
Hier dennoch meine Bedenken zur Datentransparenz im Unternehmenskontext (als enthusiastischer Verfechter von Transparenz)
#1 Dateninterpretation
Ein großes Problem unserer Zeit und der omnipräsenten Verfügbarkeit von Daten, ist doch deren #Verständnis und #Interpretation. Je weiter man von der Quelle von Daten entfernt ist, desto wahrscheinlicher deren Fehlinterpretation (Stellen Sie sich vor, sie hätten perfekte Daten vom Mars und würden die mit denen der Erde interpretieren/vergleichen… waren aber noch nie dort…)
#2 Rückschlüsse
Stellen Sie sich 2 Teams vor, eines erreicht 80 Punkte, ein anderes 95 Punkte.
Was ich jetzt sehr oft erlebe – ohne jeden weiteren Kontext gegeben zu haben, stellen Menschen die folgenden Fragen:
- Warum ist das eine Team schlechter? (wer hat gesagt, das es um Qualität ging und wo steht was gut und schlecht ist?)
- Warum hat das zweite Team keine 100 Punkte erreicht? (wo steht das es eine Skale gibt und dass die bei 100 aufhört und dass 100 ein Ziel ist?)
Klassisches Beispiel ist auch die MitarbeiterInnen Bewertung. Wer auf einer 5er Skala eine 3 bekommt, kann noch so oft beteuert bekommen, dass das „100% die Erwartungen erfüllt… es fühlt sich einfach nicht gut an, zu wissen, das 5 möglich gewesen wären.
Auch beim Kundengeschäft kann jede Reporting Zahl ohne sehr genaue Kenntnisse auf völlig falsche Fährten führen. Zwar günstiger im Einkauf, dafür schlechter Service, zwar schneller in der Lieferung, dafür Qualitätsthemen, zwar tolles Marketing, dafür geringe Entwicklungsdiziplin… um das zu lösen, werden immer mehr Daten erhoben die irgendwann im Aufwand die eigentliche Arbeit übersteigen – auch wenn immer mehr quantitativ automatisiert erhoben wird entscheidet doch immer eine qualitative Kenntnis.
#3 Handlungsdruck
Wer „schwarz auf weiß“ die Vergleichsdaten zweier Bereiche hat, muss quasi Reagieren und die schlechteren Daten hinterfragen oder etwas tun (#Handlungsdruck im Management). Zu verstehen, was dahinter steckt kostet Zeit und Aufwand.
#4 Risikobereitschaft
Starke Führung braucht es dann, wenn TROTZ klarer Datenlage anders „ENTSCHIEDEN“ wird. Folgt man nur der Datenlogik oder deren Ergebnissen /bzw. einem Algorithmus – ist das keine Entscheidung, sondern eine Wahl (des geringeren Risikos) – #Risikobereitschaft ist jedoch oft ein rares Gut bei jenen, die etwas zu verlieren haben.
#5 Reporting kann Vertrauen zerstören
Besonders in Bereichen mit hohem Unternehmertum und Verantwortungsübernahme besteht ein hohes Risiko, dass durch Datenkontrolle die Motivation und das Vertrauen sinkt. Es macht einen großen Unterschied, ob man selbst die/derjenige ist, auf die/den es ankommt, oder ob „jemand“ nochmal drüberschaut. Das fängt beim „setz mich auf Kopie“ wenn es zum Kunden geht an und hört bei Mikro-Kontrolle (z.B. im Homeoffice oder ganzen Bereichen) von Einzelaktionen auf.
#6 Unfährer Wettkampf
Stellen Sie sich eine verantwortliche Person vor, die mit einer anderen auf gleichem Level für Ihre jeweils unterschiedlichen Richtungen argumentieren. Während sich die eine auf Daten stützt, versucht die andere, Erfahrung, Bauchgefühl und die eigene Vision (ganzheitlich, nachhaltig) einzubringen. Wer glauben Sie hat mehr Chancen, zu gewinnen? In einer Businesswelt, in der redzierte One-Pager, Ampel-Reportings und „Datengläubigkeit“ herrscht, sind andere Argumente kaum mehr erfolgreich.
#7 Daten kommen noch immer aus der Vergangenheit
Wird oft vergessen – Daten kann man nur über die Vergangenheit erheben. So lange jedoch „predictive Analytics“ noch so of falsch liegt, sollten wir Datenhistorien – gerade in komplexen Märkten oder Zukunftsthemen (und das dürfte heute auf die meisten zutreffen) mit sehr viel mehr Skepsis begegnen. Das trifft natürlich auch auf die „Erfahrungen“ gedienter Manager zu, weshalb die erfolgreichste Strategie die entdeckend forschenden Lernens sein dürfte (gerne durch Datenerhebung gestützt um zu verstehen, was passiert / ist)
#8 Lemminge oder Entdecker
Was passiert, wenn ich einem Kind die Fernseh- oder Onlinezeit rationiere? Die Kreativität wird sich darauf fokussieren, diese Vorgabe zu umgehen. Was passiert, wenn wir ein Tempolimit aufstellen – wir nehmen die Verantwortung „angemessen“ zu fahren. Natürlich ist das stark vereinfacht – je nach Person und Persönlichkeit, finden die einen Stabilität oder fühlt sich animiert besser zu werden, andere rebellieren und wieder andere verfallen in Lethargie „Dienst nach Vorschrift“ – die Frage sollte gestellt sein, wie nützt die jeweilige Datenerhebung oder Transparenz der Mehrheit und dem Unternehmen, seiner Kultur – besonders auch auf langfristige Weise?
#9 Blaming Gefahr
Persönliche Betroffenheit durch transparente Daten kann zu Isolation oder Wertschätzung führen. Mindestens jedoch muss sich jeder eine Erklärung zurechtlegen, wieso die Daten sind, wie sie angezeigt werden. Das kann ein wertvoller Reflexionsprozess sein, wenn er wertschätzend abläuft. Er kann aber auch dazu führen, dass sich Menschen in die Enge getrieben, ausgegrenzt, in Rechtfertigungsnot wiederfinden. Besonders wichtig ist hier die langfristigere Perspektive – was passierte früher, wenn Zahlen nicht erfüllt oder übererfüllt wurden? Klassisches Beispiel nicht nur am Fabrikationsband, der Kasse oder im Bildungsbereich: Wird in einem Team sichtbar gemacht, wie Einzelne besser oder schlechtere Zahlen liefern – kann beides negative Folgen haben. Bessere erzeugen bei anderen Leistungsdruck, der evtl. nicht förderlich ist. Schlechtere könnten die Gesamtleistung durch das Gefühl von Unfairness herunterziehen.
#10 Vernetzte Daten
Die größte Gefahr (wenngleich auch der größte Nutzen) besteht durch die Integration und Vernetzung von verschiedenen Datenquellen, Meta-Querys und darauf aufbauenden Algorithmen, die durch künstliche Intelligenz den Eindruck aufzwingen, faktenbasierte /und damit quasi unzweifelhaft richtig/ Ergebnisse liefern. Was IT-technisch oft recht schnell und einfach zu verknüpfen ist, kann neben spannenden neuen Erkenntnissen auch kompletten Bullshit erzeugen – der nur leider sehr eloquent und „faktenbasiert“ rüberkommt. Das zu erkennen und ggf. dagegen zu argumentieren, bedarf höchster Kompetenz und Rückgrat bzw. einer zweifelsfreien Reputation … oder Macht.
Resümee
Auch wenn ich mich hier auf die negativen Aspekte der Datentransparenz fokussiert habe, konnte ich hoffentlich deutlich machen, dass es weniger darauf ankommt ob und welche Daten erhoben und transparent gemacht werden (Datenschutz natürlich angewandt!) sondern WIE mit ihnen umgegangen wird. Oft verspricht die Digitalisierung schnell, einfach, automatisiert, standardisiert, verknüpfbar an Daten zu kommen – der Aufwand und die Wirkung hängt damit aber um so mehr vom Kontextverständnis, der Wirkung auf Sozialsysteme und Organisationskultur ab.
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