Harald Schirmer - es kommt nicht nur darauf an, was wir tun, sondern WIE wir es tun!

Soziale Reputation versus Kontrolle

Denk mal mit

„Was nicht kontrolliert wird,
wird nicht gemacht!“
ist das so?

Hier wieder einmal ein paar „unfertige“ Erfahrungen und ein etwas anderer Ansatz, um mit globalen, freiwilligen Netzwerken erfolgreiche Initiativen zu betreiben.

Wer kennt diese „Weisheit“ oben nicht. Nur wie sieht das in globalen, freiwilligen Netzwerken aus? Wer sollte oder kann überhaupt die Arbeit von über 1000 Kollegen in einem Netzwerk kontrollieren?

In der Vergangenheit gab es dazu eine Antwort: Hierarchie – pro ca. 10 Mitarbeiter brauchts einen disziplinarischen „Vorgesetzten“, der mangaged und kontrolliert. Macht bei 1000 Leuten: 100 Führungskräfte, die dann natürlich auch wieder geführt werden müssen – also nochmal 10 Top Führungskräfte, und damit die alle wissen wie das Ziel aussieht: 1 Chef.

Um also 1000 Leute zu führen, braucht Hierarchie etwa 111 Führungskräfte, die planen, Aufgaben vergeben und deren Umsetzung kontrollieren, sowie die Ergebnisse reporten.

Hierarchie vs Netzwerk

 

Ein Netzwerk braucht auch ein Ziel, gemeinsame Werte, Disziplin und auch Ausbildung, bzw. liefert Arbeitsergebnisse, die auf Qualität, Fertigstellung oder überhaupt Durchführung geprüft werden sollten.

Wie kann man also ein 1000 Leute starkes Netzwerk „kontrollieren“ ohne es managen – ohne disziplinarische Macht, ohne physische Anwesenheit – und in der Regel erst mal ohne großes Führungsteam?

Mit ESN (Enterprise Social Networking) haben wir ein Werkzeug, das sowohl die Planung, die Durchführung also auch die Sicherstellung von Aufgaben ermöglicht… durch:

  • Prozesstransparenz (Sharing)
  • Ergebnisrelevanz (Wertschätzung, Likes, Kommentare)
  • Soziale Reputation

 

Praxis Beispiel:


Für die Bewerbung und Ausbildung im ersten Modul unserer GUIDEs haben wir ein Aufgaben basiertes Training aufgesetzt. Jeder interessierte Mitarbeiter hat sich nicht durch einen Antrag oder eMail beworben, sondern erste Aufgaben gelöst. Jede Aufgabe war im internen Social Net (Wikis, Foren, Blogs, Profil…) zu lösen und wenn fertig mit einem Hashtag (#got1 = Aufgabe 1 erledigt) zu bestätigen. Der Bewerbungsprozess stellte also schon sicher, das die gewünschte Kompetenz vorhanden oder gelernt wurde, genug „Durchhaltevermögen“ bestand, sowie das Netzwerk schon beworben wurde, bevor es richtig losging (jede Aktion im ESN wird für jeden anderen im eigenen Netzwerk sichtbar). Zudem sind jederzeit Stichproben möglich.

Typischer Weise würde jetzt jemand für die 1000 Bewerber die fertiggestellten Aufgaben kontrollieren (also 1000 mal 8 Aufgaben = 8000 Ergebnisse kontrollieren, dokumentieren…) – das können (und wollen) wir nicht leisten.

Wir haben komplett darauf verzichtet, da sich das durch das transparente „Fortschritt und Fertig melden“ im sozialen Umfeld selbst „regelt“. Typischer Weise gibt keiner eine Arbeit ab, die nicht fertig oder schlecht gemacht ist, wenn das jeder sehen kann. Gleichzeitig sorgt diese Sichtbarkeit dafür, dass durch das „öffentliche“ Arbeiten, Wertschätzung zurück kommt und andere durch die Prozesstransparenz auf die Initiative aufmerksam werden und mitlernen können.

Wichtig ist, dass dass im Netzwerk alles freiwillig ist – wir zwingen niemanden zur Transparenz.

Soziale Netze können so – wie bei uns – mit nur sehr wenigen Personen aufgebaut und geführt werden. Unsere Aufgabe ist es zudem, besonders gute Ergebnisse oder Lösungswege ins Rampenlicht zu stellen. Danach müssen wir in der Regel nicht suchen, da die durch das Umfeld des GUIDEs (deren likes, Kommentare und Re-posts) an Relevanz und Sichtbarkeit gewinnen – wovon wieder alle anderen lernen können = lebendiges Best Practice Sharing.

Diese Erfahrungen machen wir nicht nur mit dem schon länger existierenden GUIDE Netzwerk, sondern auch mit kleineren und lokalen Netzwerken wie den LETs (Local Evergreen Teams = ca. 400 lokale, aber vernetzte, Cross-funktionale ChangeTeams), oder unseren Knowledge Brokern…

Resümee

In unserem Denken gehen wir auch von anderen Rahmenbedingungen aus: Während beim Kontrollieren ein jeweiliger „Ist-Zustand“ gemessen werden soll, geht es uns um eine kontinuierliche Lern-Reise, bei der es wichtiger ist, individuell „unterwegs“ zu sein, als zu einer bestimmten Zeit (mit allen anderen) ein Level erreicht zu haben. Das ist wohl nicht für Produktion einsetzbar, wir fokussieren aber auf Support, Adoption, LeadingChange und Weiterbildung – die findet nie bei Allen gleichzeitig oder in der gleichen Geschwindigkeit statt.

Hinzu kommt, dass wir von einem globalen Netzwerk sprechen. Natürlich gibt es allgemeine Fertigkeiten, Ziele und gemeinsame Werte, die wir teilen, dennoch sehen (und sollen) die Arbeitsergebnisse je nach Kulturraum, Geschäftsbereich oder Funktion (Entwicklung, HR, Qualität…) sehr unterschiedlich aus. „One Size Fits All“ Kontrolle würde diese Diversität zerstören.

Wir erleben bei dieser Offenheit diverse andere positive Effekte wie wachsendes Zusammengehörigkeitsgefühl, höheres Engagement, gesteigerte Neugier und durch die Menge der Beteiligten ist kontinuierlicher Drive spürbar.

Diese Transparenz hat auch Nachteile, da es dadurch möglich ist, einfach abzuschreiben, oder Ergebnisse zu übernehmen. Aber auch dieses Vorgehen verlangt Recherche und sich mit den Antworten der Anderen zu beschäftigen – also voneinander lernen, was ebenfalls eine wichtige Fähigkeit ist, da Viele konditioniert sind, alles alleine machen zu müssen – wir wollen aber Zusammenarbeit und Co-Creation fördern.

Können wir damit 100% Ergebnisse sicherstellen? – nein, genau so wie kontrollierte Prozesse gibt es immer Unschärfen – da wir jedoch großen Fokus auf Wertschätzung und „Begeisterung“ legen, möchten die Meisten mit großer Passion beitragen.

Unsere Ergebnisse belegen nachhaltig, in verschiedenen Themen und seit mehreren Jahren, dass die Netzwerke hochenergetisch wertvolle Ergebnisse erzielen – ohne stetig, teils überhaupt kontrolliert werden.

Ich bin nicht gegen Kontrolle, da diese auch wertschätzend passieren kann. In großen Netzwerken ist sie in meinen Augen schlicht kaum durchführbar, ohne Ressourcen zu verschwenden, bzw. die Motivation zu gefährden.

 

Soziale Reputation kann Kontrolle
durch freiwillige Transparenz ersetzen

 

Weiterer Gedanke:

Eine andere Art von Kontrolle ist Aktivitätsmessung, bzw Wirkmessung, die würden wir gerne nutzen, ist aber zumindest in Deutschland kaum durchsetzbar – obwohl unser Wunsch hier nicht die Messung/Kontrolle durch uns, sondern vielmehr die Selbstwirksamkeit der Beteiligten – und NUR für Sie sichtbar sein sollte. Doch Selbstoptimierung verlangt nach einem verantwortungsbewusstem und gesundem Umgang – so weit sind wir leider weder technisch (Sicherheit, Datenschutz) noch gesellschaftlich, noch persönlich. Es gibt also noch viel zu tun 🙂

 

 

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Eine Antwort

  1. Avatar von Frank
    Frank

    Da genau beschreibt für mich die Energie und das ungeheure Potential der Netzwerke Harald; Insbesondere in großen aber auch in kleineren Strukturen. Danke für den tollen Artikel. Ich glaube wir sind mitten in einem Wandel von klassischen oder auch traditionellen Methoden hin zu modernen, auf echten Werten, Selbstverantwortung und Vertrauen basierenden Organisationsmodellen. Und so einfach es auch klingt und in einigen Umfeldern oder Teams vielleicht auch funktioniert, so herausfordernd ist das für Konzerne, Unternehmen, Bereiche, Teams und jeden einzelnen von uns. Menschen, die seit Jahren gewohnt und mit Lob und Tadel darauf trainiert sind genau gesagt zu bekommen was sie zu tun und zu lassen haben werden nicht von heut auf morgen auf „eigenverantwortlich und Spaß daran“ umschalten können. Ich glaube das braucht Zeit und, so bitter es ist, machen es sich m.E. einige Manager auch etwas einfach damit. Selber hatte ich, glaube ich, das große Glück über viele Jahre eine Führungskraft zu haben… nein, Moment… in einem Team arbeiten zu dürfen, in dem es wenig bis gar kein Command&Control gab. Einer im Team hatte ein paar besondere Aufgaben ja; Insbesondere den richtigen Rahmen zu schaffen und „Störungen“ vom Team fern zu halten. Zu Anfang war ich unsicher. Doch Energie und Begeisterung für die neue Aufgabe waren größer als die Unsicherheit. Es fühlte sich nur am Anfang ungewohnt an, ausgehend von einer unternehmerischen Zielsetzung (Was wollen wir erreichen?) selbst dafür verantwortlich zu sein in einem bestimmten Bereich seinen Beitrag zu definieren, zur Diskussion zu stellen, zu leisten und transparent zu machen. Nach einer gewissen Zeit kommt es dann aber zu einer für mich unglaublich wichtigen Entwicklung. Man diskutiert, auch im Team, was mögliche Projekte/Handlungsfelder/Maßnahmen sind und beschließt dann gemeinsam was zu tun ist. Eine(r) übernimmt und fühlt sich verantwortlich für „sein“ Baby. Beim nächsten Treffen gibt es keine Kontrolle oder einen Meilenstein oder so etwas… Alle sind neugierig (im positivsten Sinne) was passiert ist, wie sich „das Baby“ entwickelt hat und ob es weiter gegangen ist, was es Neues gibt, wie der aktuelle Stand ist und ob unterstützen kann. Total voller Energie und Tatendrang. Tolle Ergebnisse. Also meistens:). Nicht im Wettbewerbs- oder Lass-die-Hosen-Runter-Sinne, sondern einfach nur aus Freude am Tun und an seinem Beitrag zur gemeinsamen Zielerreichung. So wird aus Kontrolle Neugier, aus Neugier wird Neues und aus neuen Möglichkeiten wird neue Wertschöpfung. Wir nannten es nie agil aber ich glaube, nachdem ich mich in den letzten zwei Jahren intensiv mit dem Thema beschäftigt habe, es war Agilität im besten Sinne und ich bin für diese Zeit und Erfahrung sehr dankbar.
    Menschen, die in großen Strukturen arbeiten, sind es (genau wie du es beschreibst) gewohnt „von oben“ Aufgabenpakete zu bekommen und diese in einer vorgegebenen Zeit und mit einer festgelegten Qualität (KPIs) zu erledigen. Das lässt sich super kontrollieren und in tolle Reports fassen, die dann nach oben zurück gemeldet werden. Ganz im Sinne von „Oben wird gedacht unten wird gemacht“. Vor kurzem erst gehört. In einfachen Produktionsprozessen mag das (in einem bestimmten Rahmen) auch nach wie vor funktionieren. Unsere Gesellschaft entwickelt sich aber immer weiter und aus dem Zeitalter der Industrialisierung sind wir schon längst im Informationszeitalter. Heute kommt es nicht nur darauf an genau geplant und effektiv zusammenzuarbeiten. Es kommt darauf an sich mit einem Ziel vor Augen (Werte) mit anderen zu vernetzen, sich auszutauschen und schnell auf Neues einzustellen, offen zu sein, über den Tellerrand zu sehen, Ideen zu entwickeln und einfach mal auszuprobieren und so neue Wege zu entdecken und zu gehen. Alles andere können Maschinen eh bald besser als wir Menschen und was unseren Wertschöpfungsketten in der Industrialisierung an mechanischen Tätigkeiten abgenommen wurde, wird uns, glaube ich, in den kommenden Jahren auch anderen, nicht mechanischen Bereichen, passieren. AI, künstliche Intelligenz, kognitive Systeme, socially intelligent Bots oder wie man Sie auch immer nennen will… da kommt einiges (spannendes) auf uns zu. Wir sollten uns also darauf konzentrieren was wir Menschen besser können als Maschinen. Netzwerke bilden, vertrauen, neugierig sein, gemeinsam etwas erarbeiten (erleben), wertschätzen, andere Kulturen kennenlernen, teilen (und sich dabei gut fühlen;) und einfach mehr mit einem Lächeln -analog und/oder digital- aufeinander zugehen.

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