Harald Schirmer - es kommt nicht nur darauf an, was wir tun, sondern WIE wir es tun!

Natürlich schaffe ich das nicht!

Ein Plädoyer für ehrlicheren Austausch

Wer sein Leben voll zufriedenstellend im Griff hat, gesund und glücklich lebt, genug Zeit für die wichtigen Dinge im Leben – in einer funktionierenden Familie – hat, sollte jetzt lieber nicht weiterlesen. Ich schaffe das nicht – und deshalb ich möchte das teilen – vielleicht bin ich ja nicht alleine damit.

Natürlich ist es einfacher, mit einem Klick beim Lieferservice zu bestellen, statt lokale Geschäfte zu unterstützen online zu shoppen. Natürlich sind exklusive Kleider schicker als Getragene, neueste Technik cooler als Reparatur alter Geräte und weltweite Urlaube schicker als Balkonien.
Natürlich ist es einfacher die Türe hinter sich zu schließen und wieder ins Büro zu gehen und Partnern den Abwasch, den Arztbesuch oder die Hausaufgabenbetreuung zu überlassen.

Und ja, es ist auch viel einfacher, die eMail (an alle) zurückzuschicken, als echten Austausch zu haben oder „die Welt verändern“ zu wollen. Vorm Fernseher sitzt es sich weniger anstrengend, als tiefe Gespräche zu führen und die vielen Aufgaben zu verplanen. Auf „die da oben“, „die bösen…“ zu zeigen, geht halt auch schneller, als selbst etwas zu unternehmen.

Nachhaltigkeit ist mir/uns?
scheinbar nicht in die Wiege gelegt

Ich bin wohl kein schlechter Mensch, wenn ich mich so verhalte, wie ich es noch so oft tue, es liegt wohl in uns – weil unser Gehirn gerne Energie spart, wir genetisch auf „Arterhaltung“ = Fortpflanzung = zeigen wie toll wir sind (oder wir uns leisten können) getrimmt sind, weil wir ein Ego haben, dass sich Freiheit und das „größere Stück“ Kuchen wünscht, bevor Ethik, Moral, Solidarität, Rücksicht etc. mahnen.
Es hat aber den Anschein als wären wir in vielen Bereichen an einem Punkt angekommen, an dem dieses genetische Verhalten (weil wir so viele Menschen sind) diesen Planeten zerstört. Zum einen weiß ich (wenn ich mich dafür interessiere) welche Folgen das Nachgeben meines Ego mit der neuesten Technik oder dem Steak hat (Kinderarbeit, Ressourcen, Verschwendung). Ich habe eine Ahnung, was mich aus psychologischer Sicht treibt, Dinge zu tun oder nicht und das der Grund für dieses Verhalten längst nicht mehr „lebenswichtig“ ist (Imponiergehabe zur Arterhaltung). Auch ist mir klar, dass die Wirkung meines/unseres Handelns inzwischen dramatische, globale Folgen hat, die irreversibel sind.

Demut vor der riesigen Aufgabe
„Kulturwandel“ ist ein erster Schritt

Immer mehr Menschen – und ich natürlich auch – wollen sich anders verhalten. Ernährung, Konsum, Verbrauch, Beruf, Familie, Fortbewegung, Bildung… es gibt wohl kaum ein Thema, dass wir nicht versuchen zu verbessern, zu ändern oder ganz in Frage stellen. Statussymbole verändern (zumindest in Teilen der Gesellschaft) ihre Bedeutung, was ein deutlicher Hinweis für den Wandel ist. Während der teure Sportwagen oder das SUV immer noch als Symbol für „wirtschaftlichen Erfolg“ steht, sehen ihn andere schon als kritische Klimasünde. Minimalismus und Achtsamkeit sind nur zwei Beispiele die ganz andere Lebensmodelle mit andern Werten verkörpern.

Anerkennung, wie viel schon passiert,
und wie groß der eigene Beitrag vielleicht schon ist.

Verhaltensveränderung, Kulturwandel und große Veränderungen spielen in der Liga „Rauchen aufhören“, „Gesund ernähren“, „Sport treiben“ – es braucht sehr viel Disziplin, tägliche Aufmerksamkeit, am besten viele, die Mitmachen. Zudem gibt es jederzeit das Risiko, wieder in alte Muster zu fallen. Ja nach Arbeit, Familie und diversen Engagement ist Müdigkeit und der Schweinehund gegen Sport sehr mächtig. Auch „schuldig“ muss ich mich bekennen beim Gerechtigkeitsgefühl oder gar Neid – „warum soll ich, wenn die nicht…“, „was hab ich schon für einen Einfluss“, „das macht nur Sinn, wenn alle…“ ist mir auch nicht völlig fremd.

Kulturwandel kann man nicht
installieren, hochladen oder anschalten

Ich bin aber als Individuum verantwortlich für meine Ernährung um gesund zu bleiben, verantwortlich dafür, was oder wen ich mit meinem Geld unterstütze. Das „Tier“, dass ich füttere mit meiner Aufmerksamkeit… wächst (es ist eine Entscheidung ob das Angst, Verschwendung, Ego oder Zuversicht, Nachhaltigkeit oder #WIRgewinnt ist).
Ich bin verantwortlich dafür, wenn nichts mehr Repariert wird, weil ich mich nie dafür interessiert habe oder niemanden unterstütze, der es für mich tut.
Ich trage die Verantwortung für meine Familie – und habe geschworen, sie so zu lieben… naja mindestens so wie meine Arbeit.
Verantwortung fängt auch bei der eMail an, die ich „an alle“ zurückschicke, weil der Knopf so nah ist, ohne auch hier über die Ressourcenverschwendung (Energie, Bandbreite, Speicherplatz, Lebenszeit…) nachzudenken. Ich bin auch verantwortlich, mich selbstverständlich stetig weiterzubilden um echte Argumente zu kennen, statt Influenzern, Werbung oder Heilsbotschaften auf den Laim zu gehen.

Die heutigen Freiheiten und Möglichkeiten
bedeuten viel mehr Verantwortung

Ich habe noch eine Zeit erlebt, in der bei Großeltern oder Eltern Rollen, Aufgaben etc. eindeutig (wenn auch sicher nicht gerecht) verteilt waren. Vereinfacht waren Haushalt, Gelderwerb, Bildung, Politik… Aufgaben und Verantwortung klar zugewiesen und stark voneinander getrennt. Es war Einfach(er). Es war eine „Ja/Nein“, „Richtig/Falsch“ simplifizierte Zeit. Diese (meist aus Unwissenheit) starke Vereinfachung ist für Kriege verantwortlich, für Ausgrenzung und Mobbing, für Verfolgung von Minderheiten…
Jetzt leben wir in der „es hängt davon ab“, „sowohl als auch“ Zeit in der wir mit Unsicherheit, Komplexität, Risiken und Vieldeutigkeit umgehen lernen müssen.

Früher war es nicht besser,
aber heute kann es besser werden

Heute erlebe ich dadurch eine ÜbergangsZeit der schmerzhaften Kompromisse – es ist kaum noch möglich etwas mit zeitlich 100% Aufmerksamkeit zu machen – Familie, Job, Gesundheit, Freude, Spiritualität… Da sich irgendwie jede/r um alles kümmern soll, verkürzt sich die Zeit für die einzelnen Bereiche stark (darin kann man dann versuchen volle Aufmerksamkeit=Achtsamkeit zu üben)
Um alles unter einen 24 Stundentag zu bekommen helfen die klassischen Antworten der Leistungsgesellschaft: Fokus, Abgrenzung und Effizienz sowie eine möglichst gute Planung, aber das eigentliche Problem bekomme ich dabei nicht gelöst. Die Unzufriedenheit mit mir selbst muss doch frustrieren – oder soll ich mich damit „abfinden“?

ein effizienter Kompromiss gut geplant
löst das eigentliche Problem nicht.

Wenn beide Partner arbeiten, gemeinsam den Haushalt mit gesunder Ernährung, nachhaltigem Konsum, qualitätvoller Kinderzeit, gesunden Hobbies, lokalem Einkauf, Engagement in der Schule und sozialen Projekten, politischer Beteiligung und nachbarschaftlicher Hilfe leisten wollen, ist inklusive Schlaf der Tag zu kurz – auch mit der effizientesten Planung kann das nicht klappen!

Wie lange müsste ein Tag sein,
damit wir zufrieden mit uns sind?

Nicht verwunderlich, dass derzeit so viel Angst und Missverständnis, so emotionaler Kampf, Ausgrenzung und gegenseitiges Beschuldigen passiert. Ob im großen Gesellschaftlichen Themen oder ganz privat in der Familie oder im Job, passieren der Stress, Ärger, bis hin zu Scheidungen etc., weil das „Fass“ voll ist und schon ein Tropfen zum überlaufen führt. In so vielen privaten Gesprächen teilen mir Freunde genau die gleichen Probleme, die ich selbst auch erlebe – ich/wir sind nicht allein damit!

Es ist nur – trotz „Fehlerkultur“
nach wie vor nicht so schick, ehrlich zu sein.

Ich schaffe es nicht, das Fass zu leeren und riskiere damit immer wieder meine Familie, weil es so viel einfacher ist… z.B. viel zu arbeiten. Wir leben schließlich in einer Leistungsgesellschaft, in der selbst „Lernen“ oft als unproduktiv gesehen wird. Nach wie vor zählen Haushalt, Pflege oder Kinderbetreuung sehr wenig in unserer Gesellschaft (siehe Verdienst in Sozialbereichen).

Wie können wir unser „Fass“ leeren,
damit es nicht mehr so schnell überläuft

Das dauerhafte Gefühl nichts mehr „richtig“ machen zu können (und das betrifft sicher nicht nur PerfektionistInnen) hinterlässt bei mir oft ein wenig Selbstwertförderliches Gefühl, auch Zufriedenheit wird schwieriger, Freude über Erreichtes wird von der nächsten Aufgabe „aufgesaugt“, die Energie sinkt langsam aber stetig… Burnout, Depressionen, Einsamkeit, Versagensängste waren noch nie so verbreitet. Im Gegenteil fühlt es sich manchmal schon an, als wäre der BurnOut ein „LeistungsAbzeichen“, wirklich alles gegeben zu haben. Wollen wir das wirklich so?

Was gibt uns Energie?

Ich muss mir eingestehen, dass in einen 24 Stunden Tag all die Dinge, die ich tun will/muß, einfach nicht reinpassen… sollten wir unser wertvollstes Gut neu denken und „verteilen“ – die Zeit.

Eine Familie mit Kindern, in der beide Elternteile Vollzeit arbeiten, kann doch eigentlich nicht gut/gesund/nachhaltig funktionieren, oder?

Stellen wir die richtigen Fragen?
Zeit effizienter nutzen oder
die Aufteilung grundsätzlich in Frage stellen?

Und jetzt? Wir sprechen so viel über Dinge, die wir zusätzlich noch tun müssten, nicht mehr dürfen oder statt dessen machen sollen, anstatt einen ganzheitlichen Blick auf unsere persönliche und gesellschaftliche Position zu werfen. Unser „System“ braucht ein Update!

Es gibt immer mehr Jobs, die wegfallen, immer höhere Qualifizierungsanforderungen (kostet Zeit), immer mehr Veränderung, immer mehr Verantwortung und Entscheidungen, die Nachdenken und viel Austausch verlangen. Viele alte Technologien, die wir bald nicht mehr haben, neue, die gerade entstehen – wie müsste denn ein sinnvoller, nachhaltiger und gesunder Tag aussehen, damit das klappen kann. Von einem so beschriebenen Bild ausgehend, können wir dann sprechen, welche Rahmenbedingungen wir dafür ändern müssen. Es ist gerade viel in Bewegung – vielleicht genau die richtige Zeit dafür…

Lasst uns doch über Zukunftsideen reden, die erstrebenswert scheinen und weniger Kompromisse bedeuten, eine die „Enkelfähig“ ist – also die wir auch mit guten Gewissen an unsere Kinder übergeben können:

Eine mögliche Vision in wenigen Worten:

Wir stehen als Familie auf und haben Zeit miteinander und besprechen, was wir heute tun wollen und müssen, dann gehen wir 3 Stunden fokussiert unseren Tätigkeiten (Job, Haushalt, Schule) nach, treffen uns wieder in der Kantine mit Kollegen, in der Schule mit Freunden, zu Hause vielleicht mit Nachbarn – Essen und bewegen uns – dann geht es nochmal 2-3 Stunden fokussiert weiter, dann ist Solidaritätszeit (für andere engagieren), Familienzeit, Freizeit.

Das ist sicher nicht „die Lösung für alle“, aber ein Bild als Grundlage zur Diskussion – ein Vorschlag.

Das könnte bedeuten:

  • Weniger Verdienst/Einkommen dafür mehr Zeit (garantiertes Grundeinkommen?)
  • Sinn und Vorliebengesteuertes Arbeiten
  • Flexiblere Arbeitsmodelle, Effizienz, Fokus und asynchrones, hybrides Arbeiten
  • Mehr ehrliche Kommunikation untereinander und „agile“ Planung
  • Höheres Engagement in Politik, Sozialem und Bildung möglich
  • Gesündere Menschen, weniger Burnout und Konflikte „Fässer nicht mehr vor dem Überlaufen“
  • Wieder mehr Begegnung, weniger Einsamkeit auch außerhalb der Filterblase
  • Achtsamkeit als System?
  • Offenheit für Veränderung, weil Kapazitäten dafür da sind

Zurückzukommen auf mein „Plädoyer für ehrlicheren Austausch“ – ich gebe zu, ich schaffe vieles nicht, wie ich möchte – tolle Jobs, tolle Angebote, relevante Themen, in die ich mich einbringen möchte. Ich möchte einen guten, wirksamen Beitrag im Beruf leisten, ein guter Ehemann und natürlich Vater sein, gesund bleiben und meinen Beitrag für Nachhaltigkeit weiter liefern – aber es fühlt sich oft so überfordernd unmöglich an – mehr wie ein Scheitern als Vorwärtskommen.

Ich bin sehr dankbar für die vielen tollen Menschen um mich herum, die als „EntlastungsClique“, „Motivatoren“ agieren oder mit ihrem postiven Feedback Energie spenden.

Natürlich kann ich noch lange so weiter machen – aber will ich das?
Vielleicht bedeutet es Mut und Überwindung, aber ich halte es für sehr wichtig, all die Probleme und Sorgen – die sicher nicht nur ich habe – zu teilen und anzusprechen.

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10 Antworten

  1. Avatar von Jan Wellstein

    Hallo Harald,

    Danke für Deinen wertvollen Beitrag!

    Ich schaffe vieles nicht. Als Vater schaffe ich es nicht immer, ein gutes Vorbild zu sein und kann meinen Kindern manchmal keine Struktur geben. Als Abteilungsleiter bin ich nicht immer ein guter Chef, weil mein Tisch teilweise so voll ist, dass ich vergesse, wichtige Informationen mit meinem Team zu teilen oder es nicht schaffe, jedem Mitarbeiter gerecht zu werden. Auch als Ehemann, Sportler, Freund schaffe ich vieles nicht.

    Und das ist auch in Ordnung, weil ich ein Mensch und kein Roboter bin. Trotzdem bleibt mir der Anspruch, es besser zu machen als gestern. Wir sehen morgen, ob es mir gelingt.

    Viele Grüße
    Jan

  2. Avatar von Ilona
    Ilona

    Wie gut ich dich verstehen kann, lieber Harald. Danke für diesen Beitrag. Wer Dich kennt, weiß wieviel Du von dem was Du hier beschreibst, schon umgesetzt hast. Und wieviel Du deiner Familie, Freunden, Mitmenschen gibst, immer mit diesem Verständnis, die Welt ein bisschen besser zu machen. Wie Du schreibst, Du bist als allererstes für Dich verantwortlich, musst auf dich schauen, nur wenn du zufrieden, glücklich und gesund bist, kannst Du diesem wirksamen Beitrag für andere Menschen und für Nachhaltigkeit leisten. Und Du lieferst, das weiß ich, das wissen viele. Lehne Dich also ein bisschen zurück, denke an das, was du schon alles geschafft hast und freu dich. Du bist ein besonderer Mensch. Schön Dich zu kennen.

  3. Avatar von Christian Kaiser

    Danke lieber Harald für die Gedankenimpulse. Nachdem uns ein ‚Virus‘ zwangsweise gezeigt hat, dass wir unsere Normalität doch durchaus grundlegend ändern können, finde ich es sehr richtig und wichtig dieses ‚New Normal‘ weiter zu denken.
    Wolf Lotter hat mir den Begriff des ‚Rüberrettens‘ geschenkt. Wir haben gefühlt in den letzten 25 Jahren Riten weitergeführt, die ganzheitlich nicht gesund waren.
    Das ‚Rüberretten‘ muss sich ändern.

    Und deine Gedankenanstöße zum ‚enkelfähigen Handeln‘ sind dabei hilfreiche Impulse.
    Lass uns den Dialog dazu führen und versuchen Strukturen in unseren Umwelten zu schaffen, die zu so einem Handeln motivieren.

    Danke!
    Liebe Grüße
    Christian

    1. Avatar von haraldschirmer

      Herzlichen Dank Christian, den Begriff „Enkelfähigkeit“ habe ich erstmals von Stephan Grabmeier gehört, der sich auch als großartiger Changeagent für eine nachhaltige Zukunft einsetzt

  4. Avatar von Thomas Schmidt

    Wie so oft dürftest Du so vielen aus dem Herzen sprechen, lieber Harald.
    Über vieles, was Du hier schriebst, habe ich in den letzten Monaten ebenfalls nachgedacht. Ich habe festgestellt, dass mir die Pandemiezeit gezeigt hat, was für mich wichtig ist: meine Familie. Nicht dass der Job unwichtig wäre. Wenn es der Richtige ist, kann er äußerst erfüllend sein. Wenn aber meine Familie nach meinem Tod sagt: „Er war immer für uns da, wenn er gebraucht wurde,“ habe ich mehr erreicht, als mir jeder Job der Welt geben kann. Meine Familie ist letztlich auch der Rückhalt, wenn in einem anderen Bereich etwas schief geht. Alles was wir in der Familie machen wird nach außen wohl wenig Wirkung erzeugen, dafür in den Herzen der Menschen, die wir lieben.
    Im Job habe ich herausfinden dürfen, was ich gerne mache und was ich ändern muss. Ich gehe die notwendigen Veränderungen nun an. Ob ich zielstrebig handle? Keine Ahnung, aber die größte Form von Wahnsinn ist auf Veränderung zu hoffen und alles beim Alten zu lassen (Einstein). Deine Passion für Veränderung und alles, was Du sichtbar tust, hat mir geholfen zu erkennen, was ich hier möchte und was nicht.
    Soziales Engagement sollten wir alle haben. Wir alle sollten zumindest ein kleines Thema haben, dem wir nachgehen, weil die Gesellschaft etwas davon hat. Ich war 20 Jahre lang ehrenamtlich in einer Rettungsorganisation tätig. In den letzten Jahren hat sich mein Engagement verlagert. Ich blogge zur Lokalpolitik meiner Heimatgemeinde und ich durfte einen ehrenamtlichen Verein mit meinem Toolwissen der Digitalwelt unterstützen.
    Danke auch für den Stichpunkt „enkelfähiges Handeln“. Nachhaltigkeit und Umweltschutz ist etwas, das wir unseren Enkeln und Urenkeln schulden. Ich nehme mich selbst nicht aus, wenn ich sage, dass wir immer noch viel zu selten danach handeln. Wir tun so, als gäbe es einen Generationenvertrag und bedienen uns an den Ressourcen der zukünftigen Menschheit. Das kann kein gutes Geschäft sein, denn die „Vertragspartner“ haben keine Chance auf Einfluss; sie sind noch nicht geboren. Ja, wir müssen unser immer mehr zurückschrauben und das wird die von Dir erwähnten „schmerzhaften Kompromisse“ erfordern. Unsere Eltern und Großeltern haben sich bereits an unseren Ressourcen bedient. Wir sollten nicht den gleichen Fehler machen und unser Handeln öfter reflektieren.
    Das Leben ist zu kurz, um die ganze Welt zu verändern. Uns reicht schlicht die Zeit nicht aus, die wir hier sein können. Lass uns für uns selbst herausfinden, was unsere Kernthemen sind und uns darauf konzentrieren. Wenn wir versuchen, alles gleichzeitig zu machen, können wir nichts mehr schaffen. Neben unseren Kernthemen können wir vielleicht noch das Bewusstsein für „den Rest“ schaffen und hoffen, dass es zum Kernthema eines anderen Menschen wird. > Dein Hashtag #WIRgewinnt

    1. Avatar von haraldschirmer

      Genau wie Du Dich beschreibst, erlebe ich Dich seit Jahren – hoch engagiert und mit viel Energie für Verbesserung unterwegs. Was es als „Veränderer“ besonders herausfordernd macht, ist, dass unsere Arbeit auch noch anstrengend (oft auch ungewollt, unverstanden) für andere ist – es also eine energieintensivere (oft) Zusatzbeschäftigung ist. Gleichzeitig gibt die uns auch oft mehr Energie und Freude zurück, wenn wir Menschen erreichen und deren Freude uns viel zurück gibt.

  5. Avatar von Sabine

    Lieber Harald, danke für Deine Ehrlichkeit. Ich bin irgendwann aus dem Hamsterrad ausgestiegen mit dem Anspruch „weniger Breite, mehr Tiefe.“
    Doch auch in der selbstverantwortlichen Erwerbstätigkeit bin ich vielen inneren und äußeren Zwängen ausgesetzt – die mich zunehmend daran hindern, meine Lebenszeit auch mit den Dingen zu verbringen, die mir wertvoll und erfüllend erscheinen. Und ja, das Dilemma – scheinbar nicht zu genügen – sich selbst, dem Umfeld – ist mir sehr vertraut; vielleicht sogar der Normalfall in unserer überfüllten „You can have it all“-Konsumwelt.
    Und da ich aktuell einmal mehr die Last Lecture von Randy Pausch geschaut habe, wurde/ist mir die Fragilität dieses „irgendwann ist Zeit für…(Familie, Freunde, Leben, mich selbst)“ wieder bewusst geworden. It‘s now. Schwer genug, aber jeden Tag ein wenig mehr. Und mag nur dies eine an meinem Kommentar tröstlich für Dich sein: Du bist weissgott nicht allein mit diesen Gedanken…

    1. Avatar von haraldschirmer

      Herzlichen Dank für Deine Empfehlung zu Randy Pausch, das sehe ich mir gerne an. Gerade wenn wir uns engagieren (so wie Du), ist es besonders schwer, eine gesunde Balance zu finden. Wie an den vielen Rückmeldungen auf den Kanälen zu sehen ist… es betrifft sehr viele

    2. Avatar von Katharina Nolden

      Lieber Harald,
      vielen Dank für diesen tollen Text. Ich finde es gut, dass du es so offen ausformulierst wie es vielen geht. Ich kenne das Gefühl auch sehr gut, nicht alles zu schaffen, was ich gerne würde und nicht den gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, den ich könnte. Mein Weg ist seit einigen Jahren, niedrige Lebenshaltungskosten, um die Freiheit zu haben weniger arbeiten zu müssen. Des Weiteren ist mein Leitsatz „Folge der inneren Freude“. Wenn ich etwas mache, soll es mir möglichst Freude bereiten. Und zuletzt, einen Raum zwischen Reiz und Reaktion zu halten, um bewusst zu handeln. Doch ich stimme dir zu, unser System braucht ein Update. Denn diese ganze Bewusstheit ist manchmal auch sehr anstrengend. Einfach dem Flow folgen ohne sich Gedanken machen zu müssen ist schwierig bis unmöglich, weil die Zeit dann woanders fehlt.

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