So viele rufen nach Bürokratie-Abbau. Ich halte das in seiner Undifferenziertheit für sehr gefährlich, da wir wichtige Errungenschaften (für die viele lange gestritten haben) verlieren und gleichzeitig an den wirksamen Aspekten (Nutzung der Digitalisierung) kaum große Fortschritte machen.
Mich nervt Bürokratie wenn Prozesse ewig dauern und so vieles beachtet werden muss. Fragt man nach und denkt etwas nach, warum das so ist, nehme ich so Manches dann doch gern in kauf. Nicht jedoch, wenn Dinge einfach nur altmodisch, analog, unnötig aufwändig passieren sollen.
Menschen regen sich auf, wenn eine Eidechse einen Bau blockiert, eine Vorschrift zur Gebäuderenovierung deren Preis erhöht oder beim Bewerbungen auf Diversity geachtet werden muss. All das wandert in den Topf „Bürokratie“. Das es dabei jedoch um den Schutz unseres Lebensraums, um Gerechtigkeit oder um Nachhaltigkeit geht, gerät schnell aus dem Blick. Es gibt aber Teile der Bürokratie, die durchaus „weg können“.
Die zwei Gesichter der Bürokratie im digitalen Zeitalter
Bürokratie ist ein komplexes System, das unsere Gesellschaft sowohl herausfordert als auch schützt.
Im Kern steht Bürokratie für die Errungenschaften
einer respektvollen, geregelten Gesellschaft.
Negative Aspekte, die Viele mit Recht nerven:

- Zeitaufwändige, analoge, serielle Prozesse, mehrstufige Freigabeschleifen, Medienbrüche und mehrfache, unnötig umfangreiche Formulareinreichungen frustrieren Bürger und Unternehmen
- Starre „one-size-fits-all-top-down“ Regelwerke verhindern oft flexible, situationsangepasste Lösungen
- Hohe Kosten durch personalintensive Verwaltungsstrukturen belasten Firmen intern und öffentliche Haushalte
Positive Aspekte, die jedoch von ethisch bedenklichen Wirtschaftsvertretern gerne abgeschafft werden wollen:
- Rechtssicherheit und Gleichbehandlung aller Bürger durch standardisierte Verfahren
- Schutzfunktion für Schwächere: Bürokratische Regeln sichern Arbeitsschutz, Umweltstandards und Minderheitenrechte
- Nachvollziehbarkeit und Korrigierbarkeit von Entscheidungen schafft Vertrauen
- Systematische Datenerfassung und Verarbeitung (inkl. Datenschutz) geben wichtigen Einblick in Zustände und Tendenzen/Wirkungen und ermöglicht effiziente Organisation des Gemeinwesens und der Geschäftsprozesse
Digitale Transformation als Chance:
- KI-gestützte Automatisierung reduziert Bearbeitungszeiten drastisch
- Intelligente Systeme können individuelle Situationen besser berücksichtigen
- Gute Digitale Prozesse vereinfachen Antragstellung und Dokumentation
- Finanz-Technologie erhöht Transparenz bei gleichzeitiger Datensicherheit
Meine Empfehlung:
Bürokratie sollte nicht nur als notwendiges Übel, sondern als evolvierende Schutzstruktur verstanden werden.
Die Integration von KI und digitalen Technologien bietet die Chance,
den Verwaltungsaufwand zu minimieren
und gleichzeitig die wichtigen Schutzfunktionen zu stärken.
Der Fokus sollte auf der intelligenten und ethisch reflektierten Digitalisierung von Prozessen liegen, ohne dabei die grundlegenden Prinzipien von Gleichbehandlung und Schutz aufzugeben.
Besonders wichtig: Die Transformation muss alle Bevölkerungsgruppen mitnehmen und darf keine neue digitale Kluft schaffen, da gerade in Verwaltungen extrem viel Stellen wegfallen. Wir brauchen die Menschen, aber nicht um Akten abzuarbeiten oder Formulare einzutippen, sondern die Prozesse sinnvoll mit Kompetenz und auf Basis unserer Werte zu gestalten und kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Jenen, die Bürokratie nur reduzieren wollen, um einen Freifahrtschein für ego-Wirtschaft zu bekommen, sollten wir deutlich widersprechen.