Harald Schirmer - es kommt nicht nur darauf an, was wir tun, sondern WIE wir es tun!

DGFPc18 Blogparade – Mit den Wanderschuhen zum Mars?

Die Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V. läd in einer Blogparade ein, sich Gedanken über die Zukunft von HR zu machen. Gerne beteilige ich mich an der Diskussion als Grundlage für die Konferenz am 3.-4. Mai, die parallel – und in Verbindung mit der re:publica stattfindet.

DGFPc18 Blogparade

Es geht im Kern darum: Warum sollte jemand HR mit auf eine Mission zum Mars nehmen? Ein schönes Bild, das die Digitale Transformation und den notwendige „DenkRaumErweiterung“ klar macht. Dazu meine provokante These:

Die besten Wanderschuhe bringen HR nicht zum Mars!

Vorausgeschickt sollte noch werden, dass wir dringend darüber sprechen sollten, was unser „Mars“ ist und wozu wir dort hinwollen – nicht als Getriebene, sondern Gestalter mit einer erstrebenswerten Vision 😉

Wir sind mitten in einer revolutionär schnell und umfassend stattfindenden Transformation der Rahmenbedingungen. Um bei Bildern zu bleiben: Die Axt haben wir längst geschärft und über kontinuierliche Verbesserung, aber auch Innovation zur Motorsäge weiterentwickelt – Unsere Werkzeuge und Methoden sind hervorragend geeignet für die Welt, auf/in der sie entstanden sind. Dummerweise gibt es den „Wald“ immer weniger, zu dem diese Werkzeuge passen. Der Mars ist eine Wüste (vielleicht auch ein Meer), auch in der Rakete oder dem Raumschiff auf dem Weg dorthin werden uns weder die wasserabweisenden, superleichten aber bequem-robusten Wanderstiefel noch die Motorsäge sinnvolle Dienste erweisen.

Jetzt rufen die Evangelisten: „Werft die Wanderschuhe weg, wir wollen Fliegen, Schweben, Beamen“ – nur wer kann das schon? Auch ist da noch das laufende Tagesgeschäft und die über die Jahre optimierten Abläufe, die kaum Zeit lassen etwas Neues überhaupt anzufangen. Dann ist auch noch alles so viel und so kompliziert geworden, ach und Budget ist leider auch keines eingeplant 😉

Wo sind die Pioniere in HR,
die nach drei missglückten Raketenlandungsversuchen
alles auf eine Karte setzen und es nochmal versuchen?

Wo sind die Personaler, die Vorstände, die Entscheider aber auch die Businesspartner, Betriebsräte oder Rechtsanwälte, die echte Risiken eingehen? Den Schritt in etwas wagen, das sich nicht per ROI (Return on Investment) kalkulieren oder per KPI (Key Performance Indicator) einfach messen lässt?

Es gibt sie! Oft schauen wir auf die großen, werbewirksamen Aktionen des Tesla im Weltraum (zugegeben, besser geht Begeisterung kaum) – und übersehen dabei die vielen kleinen „Innovations-Pflänzchen“, die wir dabei oft zertreten.

Veränderung scheint immer von großen Ereignissen auszugehen, von „Helden“, die plötzlich die Welt in Frage stellen, Dinge tun, die keiner für möglich gehalten hätte… (Jeder wußte, dass es nicht geht – bis es einer einfach gemacht hat). Ich bin überzeugt, dass das nur oberflächlich richtig ist – und wir diese Heldengeschichten als Gesellschaft eigentlich nicht mehr bräuchten.

Veränderung findet bereits – seit Jahrzehnten –
im Kleinen statt. 
Bei jedem Einzelnen von uns!

Wir gewöhnen uns laufend an Dinge, die plötzlich da sind (SmartPhones, Roboter, Autonome Züge, Elektrische Autos 😉 Das sind die Rahmenbedingungen, die sich konstant und heutzutage durch die hohe Vernetzung dramatisch schnell verändern. Wenn heute irgendwo auf der Welt etwas passiert/funktioniert/scheitert oder erfunden wird… ist die Information darüber schneller bekannt, als das Produkt verfügbar.

Ich erlebe viele Kollegen, die gerne „wollen„, aber als Erfüllungsgehilfen von Softwaremasken, etablierten Prozessen und den Schlussfolgerungen aus der analogen Zeit verfallen sind.

Als Personaler wollen wir für und mit Menschen arbeiten, reduzieren dieses echte Interesse, die menschliche Begegnung oder die wertstiftende Begleitung aber schnell auf das Formular, die vorgegebene Beurteilung, den scheinbar alternativlosen Ablauf. Warum? Weil ein Businesspartner keine 200+ Mitarbeiter persönlich betreuen kann, oder doch?

Hier lade ich jetzt ein, „digital“ / „skalierbar“ zu denken:

Kann man 150.000 Mitarbeiter
in ein Projekt einbinden und beteiligen?
JA!

Das beweisen wir hier in Beteiligungskampagnen, oder hier in globalen Veränderungsprojekten oder auch in der täglichen (virtuellen) Teamarbeit. Dazu sind andere Werkzeuge, andere Kommunikationskanäle und natürlich ein anderer Umgang mit Menschen, Informationen und Abläufen notwendig.

Stelle ich Fragen wie – „Was wäre wenn wir das tun würden, was die Menschen wirklich wollen?“, bekomme ich meist diese Antwort:

Wenn wir damit einmal anfangen würden,
würden
das alle wollen,
das könnten wir nicht leisten!

Da klingelt bei mir die „Business-Case“ Glocke. „Achtung Kunde droht mit Auftrag“ – es herrscht ein Bedarf, der mit herkömmlichen Prozessen nicht abzudecken ist – keine Frage… aber was, wenn es heute eben doch Möglichkeiten gibt?

Wonach sich HR sehnt, ist „gebraucht zu werden„, Anerkennung zu bekommen – das kann man auf fast jeder Konferenz erleben – ein stetiger Selbstfindungsprozess.

Wie sieht denn jemand aus, der „gebraucht“ wird? An wen wenden wir uns denn, wenn wir „Hilfe“ brauchen?

  • Jemand der verfügbar ist
  • Jemand der Zeit und Interesse hat – zuzuhören
  • Jemand dem wir zutrauen, uns helfen zu können
  • Jemand der schon dort war, wo wir hinwollen

„HR als „trusted Irritator“

Trusted: Als Organisationsentwickler oder Personalentwickler sehe ich unsere Zukunft in der Begleitung von Mitarbeitern und Führungskräften, gemeinsam Potentiale entdecken und fördern (das ist natürlich nichts Neues) – aber  persönlich, als Vertrauter oder Gefährte auf einem gemeinsamen Weg – auf Augenhöhe!

Irritator: Jemand, der mich in eine fragende Haltung bringt, meine Innovationskraft und Kreativität in Fluss bringt, mir Selbstwirksamkeit zeigt, mich auf positive Weise in meinen Denkmustern stört, mich durch sinnvolle Interventionen aus den Gleisen hebt und mir den Weltraum zeigt.

Wie wäre es, wenn wir uns trauen zu sagen:

ICH will/kann die Welt verändern?

Hybris, Arroganz, Größenwahn? Ich sehe das als Definitionssache – und möchte eine „gesunde“ Version davon vorschlagen. Selbstverständlich KANN jeder Einzelne von uns SEINE Welt jederzeit verändern – und das hat natürlich Einfluss auf sein Umfeld. Eine Fahrt in den Urlaub, ein Umzug oder ein Jobwechsel sind solche spürbaren Veränderungen, Sport, Ernährung, Kleidungsstil, Kompetenzaufbau, Karriere – oder aber:

das DENK GEFÄNGNIS
von den limitierenden Einschränkungen
des bisher „Gelernten“
zu verlassen.!

LERNEN ist doch der Prozess, selbst oder von anderen einen erfolgreichen Weg zu einer Lösung zu finden (sehr frei interpretiert). Was aber, wenn – wie oben beschrieben – sich die Rahmenbedingungen dieses Lernweges geändert haben und frühere Sackgassen plötzlich schneller zum Ziel führen, oder noch niemand diesen Weg gegangen ist?

Was wenn uns die bekannte Methode
(Laufen mit gutem Schuhwerk)
nicht in die Luft/zum Mars bringt?

Was wenn uns das gute alte Holzfeuer nicht genug Schub für den Weltraumflug gibt, oder aber unsere Methoden, Prozesse und „Tools“ auf den Flug keiner mitnehmen möchte?

 

Die Veränderer, Intrapreneurs, Innovatoren… sind längst da!

Die großen Veränderungs-Helden unserer Zeitgeschichte sind in meinen Augen „nur“ die sichtbaren Leuchttürme einer „Zeit die gekommen ist„.

Wer heute mit neugierigen Augen in die Organisation schaut wird unzählige Mitarbeiter finden, die längst New Work praktizieren, die – auch wenn ohne disziplinarischer Personalverantwortung – perfektes Leadership 4.0 leben (z.B. Community Manager). Man wird lebendige Netzwerke finden – selbstinitiiert, ohne Auftrag, vorbei am System, aber effizient und erfolgreich – und oft auch nicht Wertgeschätzt oder gegen den Widerstand ihrer Führungskräfte. Wir erleben bei uns großartige Betriebsräte, die statt limitierenden Betriebsvereinbarungen – vertrauensbasierte Manifeste unterzeichnen! Auch Anwälte, die statt jedes Risiko zu meiden, ihre Kompetenz als Service anbieten „So können wir es schaffen, statt – das geht nicht, oder ist verboten“

Man findet darüber hinaus aber auch eine noch viel größere Menge an Menschen, die „unzufrieden“ sind, die merken: hier stimmt Vieles nicht mehr und eine SEHNSUCHT nach Veränderung haben! Das klingt für mich alles danach, dass JETZT die Zeit zum GESTALTEN gekommen ist.

Wenn HR in die Rakete zum Mars will,
gilt es diese selbst ernannten, intrinsisch motivierten
Change Agents zu finden,
von Ihnen zu lernen, sie zu promoten,
deren Einzelerfolge zu systematisieren
und für die gesamte Organisation
erlebbar und verfügbar zu machen
.

Lasst uns die HR Pioniere finden und stärken die mit selbst gebauten Flügen versuchen den Boden zu überwinden, denn die haben den „Traum vom Mars“ und arbeiten aktiv daran abzuheben. Vor Allem aber lassen die sich nicht von Kleinigkeiten wie der Schwerkraft ausbremsen. Denn natürlich gibt es Fakten, Erfahrungen und Beweise für Vieles, das noch nie funktioniert hat. Doch genau deshalb ist Experimentieren so wichtig – etwas zu versuchen OHNE ZU WISSEN, was dabei rauskommt.

Wir brauchen wieder den Mut
etwas Verrücktes zu tun!

 

ein paar Beispiele:

  • Mitarbeitern – egal welche Voraussetzungen sie haben – die Chance geben als Netzwerk eine Aufgabe übernehmen
  • Statt Dinge zu regeln order zu verbieten um mögliche Risiken zu minimieren, den Kollegen Vertrauen entgegenzubringen und Freiheiten zu gewähren – Manifest
  • Als verantwortlicher Experte – „normale Mitarbeiter“ um deren Meinung fragen (und diese respektieren)
  • Sich als cross-Organisationales Netzwerk für einen Award zu bewerben
  • Etwas einfach zu tun, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen
  • Etwas zu tun, auch wenn es noch keinen Benchmark, einen ROI oder Erfahrungswerte gibt
  • sich den VIP Status der Hierarchie einfach mal wegdenken, und „ganz normal miteinander reden“
  • Ein Problem selbst in die Hand nehmen, ohne Auftrag, ohne Budget und ohne Freigabe… einfach, weil es Sinn macht
  • Aussprechen was man denkt – wertschätzend aber ehrlich und ohne sich dafür zu entschuldigen
  • Aufstehen, auch wenn alle anderen sitzen bleiben
  • Eine Community gründen und sich und anderen beweisen, das eine Idee funktionieren kann
  • nicht aufgeben, wenn es nicht beim ersten mal klappt

Veränderung beginnt in und mit uns – Mensch für Mensch… über die offenen Kommunikationskanäle finden wir heute leicht Gleichgesinnte, die uns Bestätigung und Energie geben „Ich bin nicht alleine“ – daraus entstehen Netzwerke, dann Bewegungen… und dann ist die Zeit gekommen, die Rakete zu besteigen. Wer dann beim Aufbau „dabei“ war, wird sicher gerne mitgenommen (oder nimmt die anderen mit). Also lasst uns als HR GESTALTEN (die Rakete bauen)!

 

Ich freue mich auf den Kongress und einen Austausch über diese Initiativen, von anderen zu lernen, mich mit Verrückten zu vernetzen und gemeinsam eine lebenswerte Zukunft zu gestalten.

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  1. […] 14th 2018 – translation of  this post by Sebastian […]

  2. […] Raketenlandungsversuchen alles auf eine Karte setzen und es nochmal versuchen?“ fragt Harald Schirmer in seinem Beitrag zur HR-Mars-Blogparade. Und weiter im selben Beitrag „Den Schritt in etwas wagen, das sich nicht per ROI (Return on […]

  3. […] Raketenlandungsversuchen alles auf eine Karte setzen und es nochmal versuchen?“ fragt Harald Schirmer in seinem Beitrag zur HR-Mars-Blogparade. Und weiter im selben Beitrag „Den Schritt in etwas wagen, das sich nicht per ROI (Return on […]

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